Jerusalem. Das Simon Wiesenthal Center Center hat heute seinen sechsten Jahresbericht über die weltweite Strafverfolgung von Nazi-Verbrechern vorgelegt. Der Bericht untersucht den Zeitraum vom 1. April 2006 bis 31. März 2007. Er vergibt Noten von A (höchste) bis F für die Bemühungen von mehr als drei dutzend Ländern, in denen entweder NS-Verbrechen passiert sind oder die nach dem II. Weltkrieg Holocaust Täter aufgenommen haben.
Der Bericht kommt zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:
- Zum zweiten Mal in Folge hat Österreich eine schlechte Note für das fortgesetzte und komplette Versagen der österreichischen Justiz bei der Strafverfolgung von NS-Tätern erhalten. Es gab in Österreich keine Anklage oder Verurteilung eines NS-Täters.
- Zum zweiten Mal in Folge ist die Zahl der verurteilten NS-Täter gestiegen. Im zurückliegenden Untersuchungszeitraum stieg sie von 16 auf 21.
- Weiterhin sehr erfolgreich ist das US-amerikanische Office of Special Investigations bei der Enttarnung und Abschiebung von Nazi-Kriegsverbrechern aus den USA.
- Italien ist zum zweitbesten Land (nach den USA) bei der Strafverfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern aufgestiegen. Zum zweiten Mal nacheinander haben es die Italiener geschafft, mindestens zehn Täter zu verurteilen.
- Das bodenlose Versagen von Ländern wie Deutschland, Polen, Litauen, Lettland und Kanada, die zwar Dutzende von Verfahren geführt, aber keinen einzigen Erfolg in Form eines Gerichtsverfahrens erzielt haben.
“Angesichts der hohen Zahl von Verdächtigen in Österreich würde man gerade von der österreichischen Justiz weit bessere Ergebnisse erwarten”, sagte Dr. Efraim Zuroff vom Jerusalemer Büro des Wiesenthal Centers, der nicht nur Autor des Berichts ist sondern auch die Recherchen des Wiesenthal Centers zur Verfolgung von Nazi-Tätern weltweit leitet. „In diesem Zusammenhang verdeutlichen die Fälle von Erna Wallisch und Milivoj Asner, dass die vormalige österreichische Regierung kein Interesse an einer Verfolgung von NS-Tätern hatte.“ Beide waren im Rahmen der Operation Last Chance angezeigt worden. „Wir sind jedoch zuversichtlich, dass die Entscheidung der aktuellen österreichischen Regierung, nach Deutschland und dem Simon Wiesenthal Center ebenfalls eine Belohnung für Hinweise auszusetzen, die zur Ergreifung des KZ-Arztes Dr. Aribert Heim führen, ein Zeichen für eine Richtungsänderung in dieser Hinsicht in Österreich ist.“ (Für die Ergreifung Aribert Heims gibt es eine Belohnung von insgesamt 320.000 Euro)
Zuroff stellte fest, dass die Berichtszahlen die Erfolgsaussichten von NS-Prozessen verdeutlichen. “Seit Januar 2001 sind 69 Urteile gegen Nazi-Täter verkündet, mindestens 44 neue Anklagen erhoben und Dutzende von neuen Ermittlungsverfahren aufgenommen worden. Im Gegensatz zur verbreiteten Vermutung, dass es zu spät sei um Nazi-Mörder vor Gericht zu bringen, zeigt die aktuelle Statistik, dass es nach wie vor möglich ist und dass es weitere solche Verfahren geben wird. Während allgemein angenommen wird, dass das hohe Alter der Beschuldigten das größte Hindernis für eine Anklage darstellt, ist es in vielen Fällen eher mangelnder politischer Wille, der eine Strafverfolgung von NS-Tätern verhindert. Falsch ist auch die Behauptung, es sei nun unmöglich, diese Kriminellen zu finden, zu identifizieren und zu verurteilen. Die Erfolge, speziell des US-Büros für Special Investigations, sollten Regierungen in der ganzen Welt davon überzeugen, ernsthafte Anstrengungen zur Überführung von Nazi-Mördern zu unternehmen, solange es noch geht.”
Zuroff erklärte, der Bericht solle die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Thema lenken und dadurch zu einer Verstärkung der Bemühungen zur Verfolgung von NS-Tätern beitragen. In diesem Zusammenhang hob er die Erfolge der USA und Italiens hervor, um gleichzeitig auf das Versagen von Ländern wie Österreich, Deutschland und Polen zu verweisen. Schweden und Norwegen verzichteten prinzipiell ganz auf Ermittlungen gegen NS-Mörder (wegen Verjährung). Anderen ignorierten die Angelegenheit (Syrien) oder haben dauerhaft bei der Strafverfolgung versagt, weil der politische Wille fehlt. (Litauen, Lettland und viele andere).
Journalisten können den gesamten Bericht für 2007 unter dieser Emailadresse erhalten:
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