Dienstag, 21. Juni 2011 ots.at
"Die Sache in die Länge ziehen"
TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel"
von Michael Sprenger

Innsbruck (OTS) - I ch bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen." Dieses Zitat des seinerzeitigen sozialdemokratischen Innenministers Oskar Helmer dokumentiert auf ernüchternd eindrucksvolle Weise, wie das offizielle Österreich nach 1945 mit der NS-Vergangenheit umgegangen ist. Helmers Aussage bezog sich damals auf Entschädigungszahlungen für überlebende Juden. Die Gründungsväter der Zweiten Republik waren schlichtweg an Wiedergutmachung nicht interessiert. Schlimm genug. Doch diese Haltung wurde für die Zweite Republik überhaupt Programm im Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte. So schlitterte auch die Justiz in Generalverdacht, gegenüber NS-Kriegsverbrechen mit Gefälligkeitsgutachten und Verschleierung die Sache in die Länge zu ziehen.

Und in der Tat - wenn man sich die Fälle des Euthanasie-Arztes (und späteren Gerichtspsychiaters) Heinrich Gross und den Fall des mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers Milivoj Asner vor Augen führt, dann ist es allemal nachvollziehbar, wenn Österreich von Efraim Zuroff (Simon Wiesenthal Center) als Paradies für NS-Verbecher bezeichnet wird. Sowohl Gross als auch der jahrelang unbehelligt in Kärnten lebende "nette" Asner (Zitat Jörg Haider) konnten auf eine bewusste Schlampigkeit und ein gehöriges Desinteresse bauen, damit die Sache zu ihren Gunsten in die Länge gezogen wurde. Zuerst interessierte sich das offizielle Österreich und die Justiz nicht für diese Fälle. Als der Druck für Aufklärung zu groß wurde, versuchte eine zaghaft agierende Justiz zu verschleppen und mit der Erstellung von Gerichtsgutachten letzten Endes dafür zu sorgen, dass Gross als auch Asner einem Gerichtsverfahren entkamen. Der Tod Asners beendete zwar ein bitteres Kapitel Justizgeschichte, eine Aufarbeitung dieses Kapitels wäre jedoch dringend notwendig. Aber wahrscheinlich besteht hierfür kein Interesse.

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