13. Oktober 2006 Salzburger Nachrichten
  Der Standpunkt: Die Maske fällt: Das ist der Sinn
 
 

RONALD ESCHER

Es sei bedauerlich, "dass Verbrechen begangen worden sind" - aber nicht von ihm: So lauteten in der Nacht zum 16. Oktober 1946 die letzten Worte des aus Österreich stammenden Nazi-Kriegsverbrechers Ernst Kaltenbrunner - skrupelloser Chef der Sicherheitspolizei - unter dem Galgen.

60 Jahre nach Nürnberg wurde im italienischen La Spezia ein 84-jähriger Ex-SS-Unteroffizier wegen eines Massakers an 207 Zivilisten in der Toskana 1944 zu lebenslanger Haft verurteilt. Bereits im September hatten zwei andere ehemalige SS-Männer in La Spezia wegen eines ähnlichen Massakers "lebenslang" erhalten. 2005 war über zehn weitere jeweils die Höchststrafe verhängt worden. Und es wird weiter ermittelt.


All diese Männer sind hochbetagt. Damals waren sie jung. Heute werden sie in Abwesenheit verurteilt. Damals waren sie mörderische Handlanger einer menschenverachtenden Ideologie vor Ort. Die Erinnerung lebt dort bis heute. Sie, die sich schuldig gemacht haben, werden heute kein Gefängnis mehr von innen sehen. Damals trieben sie die Unschuldigen zusammen.

Haben solche Prozesse heute noch einen Sinn? Ja, weil sie Menschen ein Gesicht geben, die sich vor der Welt und vor sich selbst stets hinter der Maske verschanzten: "Es sind Verbrechen begangen worden, aber ich war nicht dabei."

Und, weil es heute wieder Menschen gibt, die generell Gräuel dieser dunklen Zeit bestreiten oder verharmlosen. Ihnen kann man nicht oft genug zeigen: Es ist nichts vergessen.

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