Die Vorwürfe, die das Simon Wiesenthal-Center in Jerusalem dieser Tage wieder
einmal äußerte, sind nicht neu. Immer noch kämen NS-Verbrecher hierzulande
ungeschoren davon, bekrittelt Institutsleiter Efraim Zuroff und wirft der österreichischen
Justiz "bodenloses Versagen" vor. Die harsche Kritik ist angebracht - und dennoch ungerecht.
(live-PR.com) -
Die nackten Zahlen sprechen für das Wiesenthal-Center: Seit
30 Jahren wurde in Österreich kein NS-Täter verurteilt.
Doch am wenigsten kann für diesen Umstand die neue Justizministerin
Maria Berger. In ihrer Amtszeit schrieb die Republik erstmals "Kopfgeld" auf
noch lebende Nazi-Größen aus. Und in den nun kritisierten
Fällen hat die Justiz schlüssige Argumente.
Etwa im Fall des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Milivoj Asner:
Österreich schmetterte einen Auslieferungsantrag Kroatiens
ab, weil der in Klagenfurt lebende 93-Jährige nicht verhandlungsfähig
sei. Bequemlichkeit kann man der Justiz dabei aber nicht
unterstellen. Immerhin sicherte sich das Ministerium mit
gleich zwei medizinischen Gutachten ab.
Versagt haben die Gerichte vor Jahrzehnten. Allerdings lässt
sich auch die damalige Untätigkeit nicht ausschließlich
mit dem Unwillen der Richter und Staatsanwälte erklären.
In den 70ern mussten sich NS-Täter sehr wohl in Prozessen
verantworten. Mehrere Angeklagte, wie die Erbauer der Krematorien
von Auschwitz, kamen unverständlicherweise mit Freisprüchen
davon. Um weitere Aufsehen erregende Blamagen zu vermeiden,
ging der damalige Justizminister Christian Broda den Weg
des geringsten Widerstandes - und stellte die Verfolgung
ein.
Der lasche Umgang mit NS-Verbrechern spiegelte den allgemeinen
Unwillen wider, sich der eigenen Nazi-Vergangenheit zu
stellen. Denn die Skandalurteile hatten nicht einzelne
Richter gefällt, sondern Geschworenengerichte.
live-pr.com
|