04.09.2007 18:14:04 live-pr.com
  DER STANDARD-KOMMENTAR "Angebracht und ungerecht" von Gerald John
 
 

Die Vorwürfe, die das Simon Wiesenthal-Center in Jerusalem dieser Tage wieder einmal äußerte, sind nicht neu. Immer noch kämen NS-Verbrecher hierzulande ungeschoren davon, bekrittelt Institutsleiter Efraim Zuroff und wirft der österreichischen Justiz "bodenloses Versagen" vor. Die harsche Kritik ist angebracht - und dennoch ungerecht.

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Die nackten Zahlen sprechen für das Wiesenthal-Center: Seit 30 Jahren wurde in Österreich kein NS-Täter verurteilt. Doch am wenigsten kann für diesen Umstand die neue Justizministerin Maria Berger. In ihrer Amtszeit schrieb die Republik erstmals "Kopfgeld" auf noch lebende Nazi-Größen aus. Und in den nun kritisierten Fällen hat die Justiz schlüssige Argumente.


Etwa im Fall des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Milivoj Asner: Österreich schmetterte einen Auslieferungsantrag Kroatiens ab, weil der in Klagenfurt lebende 93-Jährige nicht verhandlungsfähig sei. Bequemlichkeit kann man der Justiz dabei aber nicht unterstellen. Immerhin sicherte sich das Ministerium mit gleich zwei medizinischen Gutachten ab.


Versagt haben die Gerichte vor Jahrzehnten. Allerdings lässt sich auch die damalige Untätigkeit nicht ausschließlich mit dem Unwillen der Richter und Staatsanwälte erklären. In den 70ern mussten sich NS-Täter sehr wohl in Prozessen verantworten. Mehrere Angeklagte, wie die Erbauer der Krematorien von Auschwitz, kamen unverständlicherweise mit Freisprüchen davon. Um weitere Aufsehen erregende Blamagen zu vermeiden, ging der damalige Justizminister Christian Broda den Weg des geringsten Widerstandes - und stellte die Verfolgung ein.


Der lasche Umgang mit NS-Verbrechern spiegelte den allgemeinen Unwillen wider, sich der eigenen Nazi-Vergangenheit zu stellen. Denn die Skandalurteile hatten nicht einzelne Richter gefällt, sondern Geschworenengerichte.

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