Pünktlich dann, wenn einen das Gefühl beschleicht, man könne es mit der Kritik
am Umgang Österreichs mit der NS-Zeit zu weit getrieben haben, nimmt das Land
Anlauf und hechtet mit Wucht gegen den Watschenbaum...
Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider hat nun zum Fall des gesuchten Kriegsverbrechers
Milivoj Ašner, der als Ustascha-Polizeichef von Požega für
die Deportation tausender Juden, Serben und Roma in Vernichtungslager
verantwortlich war und seit Jahrzehnten unbehelligt in Klagenfurt
lebt, wie folgt gegenüber der Tageszeitung "Der Standard" Stellung bezogen: "Er soll seinen Lebensabend bei uns verbringen dürfen. Er ist seit Jahren ein
Klagenfurter Bürger, der friedlich bei uns lebt. Das ist
eine nette Familie. Wir schätzen diese Familie sehr".
Dass der "friedliche Bürger" auf der Most Wanted-Liste gesuchter Kriegsverbrecher einen der Top-Plätze belegt,
stört Haider nicht weiter. Warum auch? Wer dem Massenmörder
Saddam Hussein ohne Auftrag die "besten Grüße des österreichischen Volkes" überbringt, zu der netten Diktatorenfamilie Gaddafi beste Kontakte unerhält,
die Vernichtungs-KZ der Nazis als "Straflager" bezeichnet und alte SS-Schergen für deren Gesinnungsstandfestigkeit lobt, der
kann in einem Typen wie Ašner ja keinen Verbrecher erkennen,
sondern nur einen Gesinnungsgenossen.
Seit vielen Jahren ersucht Kroatien
vergeblich um die Auslieferung Ašner. Psychiatrische Gerichtsgutachter
attestieren dem Mann immer wieder "Vernehmungs- und Verhandlungsunfähigkeit", obwohl er vor wenigen Tagen von reportern der britischen "Sun" dabei beobachtet wurde, wie er fröhlich und ohne Krückstock durch die Stadt
spazierte, ein paar Gläschen Wein trank und die kroatische
Nationalmannschaft bei der Fußball-EM anfeuerte. Auf den
Reporter der "Sun" wirkte der 95jährige Kriegsverbrecher weder dement, noch übermäßig gebrechlich.
Ašner passt gut zu Kärnten. Wenn Österreich
ein "Paradies für Nazis" war und ist, wie es der Leiter des Simon Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim
Zuroff, ausdrückte, so ist Kärnten die Luxus-Suite in diesem
braunen Garten Eden. In keinem anderen österreichischem Bundesland
haben sich nach dem zweiten Weltkrieg dermaßen viele hohe
Nazis aus allen Teilen des untergagangenen Dritten Reiches
niedergelassen wie in Kärnten, nirgendwo sonst haben die
alten NS-Seilschaften die Entnazifizierung so unbeschadet
überstanden wie im Land zwischen Karawanken und Alpenhauptkamm.
Das ist auch der wahre Grund für die
mit viel Paranoia aufgeladene Hetze, die in Kärnten seit
Jahrzehnten gegen Jugoslawien betrieben wurde und für den
Hass, mit dem alles verfolgt wurde, was nach Antifaschismus
roch und für die Verleumdung von Widerstandskämpfern als
Mörder. Den feinen Herren Nazis steckte nämlich die Angst
in den Knochen, dass sie eines Tages vielleicht doch noch
für ihre Untaten zur verantwortung gezogen werden könnten,
so wie es ein paar dutzend NSDAPlern widerfuhr, die in den
letzten Kriegstagen und kurz danach vom bewaffneten Widerstand
liquidiert wurden, oder so wie es jenen kroatischen Ustascha-Faschisten
erging, die von den Briten an die Jugoslawische Armee ausgeliefert
wurden, die mit ihnen Kurzen Prozess machte. Die "Kärntner Urangst" ist also in Wahrheit nichts anderes als die Angst des Täters, geschnappt zu
werden. Nur wer dies weiß kann die psychologischen Gründe
für die bizarre Diskriminierung der slowenischen Volksgruppe
in Kärnten begreifen. Nur wem bewusst ist, dass Kärnten von
Nazi-Cliquen und deren Nachkommen regiert wurde und wird,
versteht, warum im südlichsten Bundesland so erbittert gegen
jede zweisprachige Ortstafel gekämpft wird.
Und aus genau den genannten Gründen
wird der Opfer des Nationalsozialismus in Kärnten auch nur
mit einer winzigen Tafel auf einem Friedhof am Stadrand gedacht,
während mitten im Zentrum Klagenfurts ein großer Gedenkstein
dazu mahnt, "die während und nach dem Zweiten Weltkrieg von Partisanen verschleppten und ermordeten
Kinder, Frauen und Männer" nicht zu vergessen. Aus den Widerstandskämpfern gegen das Massenmörderregime
wurden so Täter gemacht und aus den Tätern die "wahren" Opfer. Diese perfide Geschichtsauffassung ist in der Kärntner Mentalität fest
verwurzelt und von 100 Kärntnern teilen 80 diese Verzerrung
der Realität. Glauben Sie mir ruhig, ich bin damit aufgewachsen.
Die "Ehemaligen", also die alten Mitglieder von NSDAP, SA und SS, reorganisierten sich in Kärnten
nahezu perfekt nicht nur in der FPÖ, sondern kaperten auch
große Teile der hießigen SPÖ (Sozialdemokratische Partei
Österreichs) und konnten somit die Schlüsselstellen in Politik,
Justiz, Exekutive, Presse, Schulwesen und leider auch Psychiatrie
besetzen. Gerade letzteres ist besonders bitter, wenn man
bedenkt, dass psychisch Kranke von den Nazis als "unwertes Leben" betrachtet und oft genug ermordet wurden. Die Giftspritzen, mit denen Gemütskranke
getötet wurden, setzten noch keinen Rost an, da wurde die
psychiatrische Abteilung des Klagenfurter Landeskrankenhauses
schon wieder von Leuten wie Otto Scrinzi geleitet, einem
lupenreinen Rechtsextremisten, der Kontakte zu NS-Kriegsverbrechern
unterhielt und von sich sagte "ich war schon immer rechts, auch innerhalb der NSDAP".
Ungefähr zeitgleich mit Scrinzi begann
auch Franz Wurst, ein wahrer Teufel in Menschengestalt, damit,
seine Position in der Kärntner Kinderpsychiatrie dazu zu
nutzen, seinen pädophilen Neigungen nachzugehen und hunderte
Kinder sexuell zu missbrauchen. Erschütternd ist auch, dass
Scrinzi über Jahrzehnte von der Kärntner Justiz als psychiatrischer
Gerichtsgutachter beschäftigt wurde und auf diese Weise sein
NS-Gedankengut nicht "nur" für Patienten der Psychiatrie, sondern auch für psychisch beeinträchtigte Straftäter
mehr als einmal zum Verhängnis wurde.
Ich erinnere mich noch gut an einen
Fall aus den frühen 90er Jahren, als ein Kärntner Großmütterlein
eines Tages von der Couch aufstand, einen Hammer nahm und
seine ganze gesamte Familie erschlug, um sich dann wieder
hinzulegen, als wäre nichts geschehen. Otto Scrinzi attestierte
der alten Frau "völlige Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt". Leuten wie dem Kriegsverbrecher Ašner wurde jedoch von Scrinzi und dessen Nachfolgern
stets Verhandlungsunfähigkeit und/oder Haftuntauglichkeit
bescheinigt.
Wie gut die rechten Seilschaften immer
noch funktionieren und welchen Einfluss sie in Kärnten immer
noch haben, belegt der "Standard" bezüglich der Causa Ašner: Erst vor einem Monat habe der Klagenfurter Gutachter
Max Neumann das dementielle Zustandsbild Ašners bestätigt.
Der schlagende Burschenschafter Neumann ist allerdings im "rechten Netzwerk" Kärntens kein Unbekannter.
Österreich, vor allem aber Kärnten
ist im Jahr 2008 noch immer im Würgegriff von Alt-und Neunazis,
von Antisemiten und schlagenden Burschenschaften. Nicht nur
haben hier Judenmörder wie Ašner ein gemütliches Zuhause
gefunden, man lädt Neofaschisten wie den kroatischen Ustascha-Verherrlicher
Marko Perkovic alias "Thompson" als Ehrengäste zur Fußball-Europameisterschaft ein. Dennoch muss man auch erwähnen,
dass es in Kärnten Initiativen gibt, die sich gegen das Vergessen
und Revisionismus und gegen die aktuellen Strömungen von
Faschismus und Antisemitismus stellen. Neben Gruppen wie
dem "Mauthausen Komitee Kärnten/Koroška" ist auch die Universität Klagenfurt sehr aktiv in der historisch korrekten Aufarbeitung
des Naziunwesens, und eine kleine, aber wachsende Antifa-Bewegung,
der vor allem junge Kärntnerinnen und Kärntner beider Volksgruppen
angehören, stört durch Aufklärung und Aktionen den dumpfen
Konsens im Lande.
Dennoch droht schon im Jahr 2009 nicht
nur die Wiederwahl Jörg Haiders als Landeshauptmann. Er könnte
jüngsten Umfragen zufolge sogar mit der absoluten Mehrheit
rechnen.
hagalil.com
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