June 18,2008 hagalil.com
  Neues aus dem "Nazi-Paradies"
Von Bernhard Torsch
 
 

Pünktlich dann, wenn einen das Gefühl beschleicht, man könne es mit der Kritik am Umgang Österreichs mit der NS-Zeit zu weit getrieben haben, nimmt das Land Anlauf und hechtet mit Wucht gegen den Watschenbaum...

Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider hat nun zum Fall des gesuchten Kriegsverbrechers Milivoj Ašner, der als Ustascha-Polizeichef von Požega für die Deportation tausender Juden, Serben und Roma in Vernichtungslager verantwortlich war und seit Jahrzehnten unbehelligt in Klagenfurt lebt, wie folgt gegenüber der Tageszeitung "Der Standard" Stellung bezogen: "Er soll seinen Lebensabend bei uns verbringen dürfen. Er ist seit Jahren ein Klagenfurter Bürger, der friedlich bei uns lebt. Das ist eine nette Familie. Wir schätzen diese Familie sehr".

Dass der "friedliche Bürger" auf der Most Wanted-Liste gesuchter Kriegsverbrecher einen der Top-Plätze belegt, stört Haider nicht weiter. Warum auch? Wer dem Massenmörder Saddam Hussein ohne Auftrag die "besten Grüße des österreichischen Volkes" überbringt, zu der netten Diktatorenfamilie Gaddafi beste Kontakte unerhält, die Vernichtungs-KZ der Nazis als "Straflager" bezeichnet und alte SS-Schergen für deren Gesinnungsstandfestigkeit lobt, der kann in einem Typen wie Ašner ja keinen Verbrecher erkennen, sondern nur einen Gesinnungsgenossen.

Seit vielen Jahren ersucht Kroatien vergeblich um die Auslieferung Ašner. Psychiatrische Gerichtsgutachter attestieren dem Mann immer wieder "Vernehmungs- und Verhandlungsunfähigkeit", obwohl er vor wenigen Tagen von reportern der britischen "Sun" dabei beobachtet wurde, wie er fröhlich und ohne Krückstock durch die Stadt spazierte, ein paar Gläschen Wein trank und die kroatische Nationalmannschaft bei der Fußball-EM anfeuerte. Auf den Reporter der "Sun" wirkte der 95jährige Kriegsverbrecher weder dement, noch übermäßig gebrechlich.

Ašner passt gut zu Kärnten. Wenn Österreich ein "Paradies für Nazis" war und ist, wie es der Leiter des Simon Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, ausdrückte, so ist Kärnten die Luxus-Suite in diesem braunen Garten Eden. In keinem anderen österreichischem Bundesland haben sich nach dem zweiten Weltkrieg dermaßen viele hohe Nazis aus allen Teilen des untergagangenen Dritten Reiches niedergelassen wie in Kärnten, nirgendwo sonst haben die alten NS-Seilschaften die Entnazifizierung so unbeschadet überstanden wie im Land zwischen Karawanken und Alpenhauptkamm.

Das ist auch der wahre Grund für die mit viel Paranoia aufgeladene Hetze, die in Kärnten seit Jahrzehnten gegen Jugoslawien betrieben wurde und für den Hass, mit dem alles verfolgt wurde, was nach Antifaschismus roch und für die Verleumdung von Widerstandskämpfern als Mörder. Den feinen Herren Nazis steckte nämlich die Angst in den Knochen, dass sie eines Tages vielleicht doch noch für ihre Untaten zur verantwortung gezogen werden könnten, so wie es ein paar dutzend NSDAPlern widerfuhr, die in den letzten Kriegstagen und kurz danach vom bewaffneten Widerstand liquidiert wurden, oder so wie es jenen kroatischen Ustascha-Faschisten erging, die von den Briten an die Jugoslawische Armee ausgeliefert wurden, die mit ihnen Kurzen Prozess machte. Die "Kärntner Urangst" ist also in Wahrheit nichts anderes als die Angst des Täters, geschnappt zu werden. Nur wer dies weiß kann die psychologischen Gründe für die bizarre Diskriminierung der slowenischen Volksgruppe in Kärnten begreifen. Nur wem bewusst ist, dass Kärnten von Nazi-Cliquen und deren Nachkommen regiert wurde und wird, versteht, warum im südlichsten Bundesland so erbittert gegen jede zweisprachige Ortstafel gekämpft wird.

Und aus genau den genannten Gründen wird der Opfer des Nationalsozialismus in Kärnten auch nur mit einer winzigen Tafel auf einem Friedhof am Stadrand gedacht, während mitten im Zentrum Klagenfurts ein großer Gedenkstein dazu mahnt, "die während und nach dem Zweiten Weltkrieg von Partisanen verschleppten und ermordeten Kinder, Frauen und Männer" nicht zu vergessen. Aus den Widerstandskämpfern gegen das Massenmörderregime wurden so Täter gemacht und aus den Tätern die "wahren" Opfer. Diese perfide Geschichtsauffassung ist in der Kärntner Mentalität fest verwurzelt und von 100 Kärntnern teilen 80 diese Verzerrung der Realität. Glauben Sie mir ruhig, ich bin damit aufgewachsen.

Die "Ehemaligen", also die alten Mitglieder von NSDAP, SA und SS, reorganisierten sich in Kärnten nahezu perfekt nicht nur in der FPÖ, sondern kaperten auch große Teile der hießigen SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) und konnten somit die Schlüsselstellen in Politik, Justiz, Exekutive, Presse, Schulwesen und leider auch Psychiatrie besetzen. Gerade letzteres ist besonders bitter, wenn man bedenkt, dass psychisch Kranke von den Nazis als "unwertes Leben" betrachtet und oft genug ermordet wurden. Die Giftspritzen, mit denen Gemütskranke getötet wurden, setzten noch keinen Rost an, da wurde die psychiatrische Abteilung des Klagenfurter Landeskrankenhauses schon wieder von Leuten wie Otto Scrinzi geleitet, einem lupenreinen Rechtsextremisten, der Kontakte zu NS-Kriegsverbrechern unterhielt und von sich sagte "ich war schon immer rechts, auch innerhalb der NSDAP".

Ungefähr zeitgleich mit Scrinzi begann auch Franz Wurst, ein wahrer Teufel in Menschengestalt, damit, seine Position in der Kärntner Kinderpsychiatrie dazu zu nutzen, seinen pädophilen Neigungen nachzugehen und hunderte Kinder sexuell zu missbrauchen. Erschütternd ist auch, dass Scrinzi über Jahrzehnte von der Kärntner Justiz als psychiatrischer Gerichtsgutachter beschäftigt wurde und auf diese Weise sein NS-Gedankengut nicht "nur" für Patienten der Psychiatrie, sondern auch für psychisch beeinträchtigte Straftäter mehr als einmal zum Verhängnis wurde.

Ich erinnere mich noch gut an einen Fall aus den frühen 90er Jahren, als ein Kärntner Großmütterlein eines Tages von der Couch aufstand, einen Hammer nahm und seine ganze gesamte Familie erschlug, um sich dann wieder hinzulegen, als wäre nichts geschehen. Otto Scrinzi attestierte der alten Frau "völlige Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt". Leuten wie dem Kriegsverbrecher Ašner wurde jedoch von Scrinzi und dessen Nachfolgern stets Verhandlungsunfähigkeit und/oder Haftuntauglichkeit bescheinigt.

Wie gut die rechten Seilschaften immer noch funktionieren und welchen Einfluss sie in Kärnten immer noch haben, belegt der "Standard" bezüglich der Causa Ašner: Erst vor einem Monat habe der Klagenfurter Gutachter Max Neumann das dementielle Zustandsbild Ašners bestätigt. Der schlagende Burschenschafter Neumann ist allerdings im "rechten Netzwerk" Kärntens kein Unbekannter.

Österreich, vor allem aber Kärnten ist im Jahr 2008 noch immer im Würgegriff von Alt-und Neunazis, von Antisemiten und schlagenden Burschenschaften. Nicht nur haben hier Judenmörder wie Ašner ein gemütliches Zuhause gefunden, man lädt Neofaschisten wie den kroatischen Ustascha-Verherrlicher Marko Perkovic alias "Thompson" als Ehrengäste zur Fußball-Europameisterschaft ein. Dennoch muss man auch erwähnen, dass es in Kärnten Initiativen gibt, die sich gegen das Vergessen und Revisionismus und gegen die aktuellen Strömungen von Faschismus und Antisemitismus stellen. Neben Gruppen wie dem "Mauthausen Komitee Kärnten/Koroška" ist auch die Universität Klagenfurt sehr aktiv in der historisch korrekten Aufarbeitung des Naziunwesens, und eine kleine, aber wachsende Antifa-Bewegung, der vor allem junge Kärntnerinnen und Kärntner beider Volksgruppen angehören, stört durch Aufklärung und Aktionen den dumpfen Konsens im Lande.

Dennoch droht schon im Jahr 2009 nicht nur die Wiederwahl Jörg Haiders als Landeshauptmann. Er könnte jüngsten Umfragen zufolge sogar mit der absoluten Mehrheit rechnen.

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