Mo, 20.06.2011 09:12
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Kriegsverbrecher Asner: stiller Tod im „Paradies für Nazis“

Milivoj Asner war der letzte „Österreicher“ auf der NS-Kriegsverbrecherliste. Der Mann, der vermutlich für die Deportation von hunderten Juden verantwortlich war, konnte in Kärnten unbehelligt leben. Er wurde 98 Jahre alt.

Klagenfurt – Als Polizeichef des faschistischen Ustascha-Regimes soll er die jüdische Gemeinde im kroatischen Pozega zerstört haben. Nun ist er 98-jährig in einem Klagenfurter Pflegeheim gestorben, ohne dass die Vorwürfe jemals gerichtlich geklärt wurden. Gerichtsgutachter hatten Asner, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Österreich geflüchtet war, nämlich Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt. Asner war der letzte „Österreicher“ unter den zehn meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrechern und hatte es sogar in die „Top 3“ der Liste des Jerusalemer Wiesenthal-Zentrums geschafft.

Nach Angaben des Simon-Wiesenthal-Zentrums war der ehemalige Ustascha-Funktionär aktiv an der Verfolgung und Deportation hunderter Serben, Juden sowie Sinti und Roma beteiligt gewesen. Laut dem kroatischen Historiker Alen Budaj unterzeichnete Asner als ranghoher Ustascha-Polizist in der slawonischen Stadt Pozega „persönlich Dokumente für die Deportation von Juden“. Die Maßnahmen hätten einen Tag nach seiner Ernennung zum Polizeichef im Mai 1941 begonnen. „Asner hat die jüdische Gemeinde von Pozega zerstört“, fasste Budaj seine Erkenntnisse zusammen. Seine Ablöse im Jahr 1942 soll erfolgt sein, weil er in die eigene Tasche gewirtschaftet habe.

1946 eingebürgert

Danach soll Asner einem Geheimdienstbericht zufolge auch Deutschen seine Dienste angeboten haben, falls sie ihm wieder zu seinem ursprünglichen Posten verhelfen. Weil ihm die Ustascha nach diesem „Verrat“ nach dem Leben trachtete, flüchtete er im Jahr 1944 nach Zagreb und in den letzten Kriegswirren mit zehntausenden anderen Ustascha-Anhängern nach Bleiburg (Bezirk Völkermarkt). Anders als den meisten dieser Flüchtlinge, die von den Briten ins kommunistische Jugoslawien und damit in den sicheren Tod geschickt wurden, konnte Asner jedoch in Kärnten bleiben und erhielt im Jahr 1946 die österreichische Staatsbürgerschaft.

Der am 21. April 1913 im slawonischen Kurort Daruvar geborene Asner selbst beteuerte, dass er im Zweiten Weltkrieg lediglich ein „Verwaltungsbeamter“ gewesen sei. Wie sein Anwalt Günther Fornara im Jahr 2008 mitteilte, sei Asner „nie Angehöriger einer Polizeieinheit oder der Ustascha-Bewegung“ gewesen.

Asner hatte jedoch im Jahr 2004 in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „profil“ selbst davon gesprochen, nur Monate nach einem Praktikum an der Bezirkshauptmannschaft von Pozega zum Polizeichef gemacht worden zu sein. Vertraute hätten ihm hinter verschlossenen Türen im Schnellverfahren beigebracht, was ein Polizeichef anno 1941 können musste.

Kein Prozess

Gerichtlich aufarbeitet wurden die Vorwürfe gegen Asner nie. Im Jahr 2005 wurde er zwar in seiner kroatischen Heimat wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, zu einer Auslieferung durch Österreich kam es aber nicht. Zunächst wurde sie verweigert, weil „Georg Aschner“ angab, österreichischer Staatsbürger zu sein. Er später stellte man fest, dass er diese wieder verloren hatte, weil er Anfang der 1990er Jahre die kroatische angenommen hatte.

Ein zweiter Anlauf scheiterte am schlechten Gesundheitszustand Asners. Mehrere Gerichtsgutachten ergaben, dass er schwer dement und nicht verhandlungsfähig ist. Ein Bericht des britischen Boulevardblatts „The Sun“ ließen diese Gutachten jedoch in einem schlechten Licht erscheinen. Im Sommer 2008 berichtete ein „Sun“-Reporter von einem Spaziergang Asners in der Klagenfurter Fanzone der Fußball-Europameisterschaft. Asner sei rüstig und geistig völlig klar gewesen. Laut dem Reporter soll er sich auch zu einer Aussage vor Gericht bereiterklärt haben.

Fürsprecher Jörg Haider

Kritiker sahen einen weiteren Beleg für die angebliche Nachlässigkeit der österreichischen Justiz bei der Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechen. Der Wiener Historiker Oliver Rathkolb fühlte sich an den Fall des Wiener Gerichtspsychiaters Heinrich Gross erinnert, dem ein Prozess wegen angeblicher Nazi-Untaten ebenfalls wegen medizinischen Gutachten erspart blieb. Den Direktor des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, bewog der Fall Asner sogar zur Aussage, Österreich sei „ein Paradies für Nazis“. Es gebe absolut keine Rechtfertigung für die andauernde Ablehnung, Asner an seine Heimat auszuliefern, kritisierte er mit Blick auf den „Sun“-Bericht. „Österreich schützt Milivoj Asner.“

Die österreichische Justiz sah sich daraufhin veranlasst, dem Eindruck der Befangenheit durch Beauftragung ausländischer Gutachter entgegenzutreten. Das letzte Gutachten über Asner stammt aus dem Jahr 2009. Damals bestätigte der Leiter der Abteilung für Forensische Psychiatrie am Klinikum München, Norbert Nedopil, die Einschätzung seiner österreichschen Kollegen.

Zu Asners Fürsprechern zählte auch der frühere Landeshauptmann Jörg Haider (B). In einem Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“ äußerte sich Haider im Jahr 2008 lobend über die „nette Familie“. Asner sei „seit Jahren ein Klagenfurter Bürger, der friedlich bei uns lebt“. „Er soll seinen Lebensabend bei uns verbringen dürfen.“ Ein Wunsch, der jetzt seine Vollendung gefunden hat.

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