05.02.2009 | 22:39 | diepresse.com
  Fall Heim: Vorwürfe gegen Deutschland, Lob für Österreich  
 

Die deutschen Behörden hatten Anfang der 1950er Jahre offiziell "keine Information" über Heims Verbleib, obwohl selbst sein ehemaliger Wiener Eishockeyverein wusste, wo er war.

Im Fall des meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrechers Aribert Heim werden schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden erhoben. Wie der deutsche Fernsehsender ZDF am Donnerstagabend berichtete, scheiterte in den 1950er Jahren ein österreichisches Auslieferungsverfahren an der Untätigkeit der deutschen Behörden. "In Deutschland wird nicht nach Heim gefahndet, nur in Österreich bleibt man weiter dran", fasste der Sender die damalige Situation zusammen.

Obwohl Heim nach dem Zweiten Weltkrieg im süddeutschen Friedberg bei Bad Nauheim als Arzt praktizierte und im dortigen Eishockeyteam spielte, sei Österreich mitgeteilt worden, "dass die Behörden in Deutschland keine Information hinsichtlich des Aufenthalts des Dr. Aribert Heim haben", zitierte ZDF den Sprecher der Linzer Staatsanwaltschaft, Rainer Schopper.

Der berüchtigte KZ-Arzt war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zwei Jahre vom US-Militär interniert gewesen. Im Dezember 1947 wurde er von einer deutschen Spruchkammer im Rahmen einer Weihnachtsamnestie freigelassen, weil er nur ein "Mitläufer" gewesen sei. Ob es sich um Schlamperei oder Absprache mit den US-Besatzern handelte, sei unklar.

Strafrechtliche Verfolgung zuerst in Österreich
Die strafrechtliche Verfolgung Heims kam erst in Österreich in Gang, berichtet der deutsche Sender. Im März 1948 erhielt der Wiener Eissportverband ein Schreiben, in dem die Verbrechen von "Doktor Tod" geschildert werden. Der Arzt habe sich "die schrecklichsten Unmenschlichkeiten an uns Häftlingen zuschulden kommen lassen", hieß es in dem Schreiben eines Ex-Häftlings aus dem KZ Mauthausen. "Doktor Heim hat unzählige Menschen mit Benzin ins Herz getötet und das alles tat er mit zynischer lachender Miene", zitierte Schopper aus dem Schreiben.

Der Sportverband habe das Schreiben der Staatsanwaltschaft übergeben, die zu ermitteln begonnen habe. Eines der Ergebnisse war im Mai 1948 ein Schreiben des Wiener Eissportclubs Engelmann, für den Heim vor dem Zweiten Weltkrieg gespielt hatte, wonach sich Heim "in Bad Nauheim in der amerikanischen Zone aufhalten soll". Die österreichischen Behörden hätten daraufhin einen Auslieferungsantrag gestellt, der aber im Jänner 1951 von Deutschland negativ beantwortet worden sei. Trotzdem sei man in Österreich "weiter dran" geblieben, so ZDF. Im Jahr 1962 habe die österreichische Justiz einen Haftbefehl erlassen, dessen Vollstreckung Heim offenbar nur durch überstürzte Flucht, offenbar nach Ägypten, entkommen konnte.

Kritik vom Simon-Wiesenthal-Zentrum
Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, ist hingegen der Meinung, dass Österreich in der Causa Heim "so gut wie völlig untätig geblieben" sei. "Die Deutschen haben hingegen sehr hart an der Ergreifung Heims gearbeitet", sagte Zuroff der "Wiener Zeitung" (Freitagsausgabe).

Nach ZDF-Informationen soll Heim drei Jahrzehnte lang im ägyptischen Kairo gelebt haben, ehe er im August 1992 an Darmkrebs verstorben sei. Der Fernsehsender berief sich in seiner Dokumentation auf Heims Sohn Rüdiger und mehrere ägyptische Zeugen. Das Wiesenthal-Zentrum bezweifelt diese Darstellung jedoch und betont, dass die Leiche und das Grab Heims fehlten.

Der Historiker Winfried R. Garscha vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) ließ in der ZiB2 des ORF-Fernsehens am Donnerstagabend ebenfalls Skepsis an der Todesmeldung erkennen. Sie könne zwar stimmen, aber es könne sich auch um eine Vertuschungsaktion handeln, sagte er. "Es ist möglich, dass man mit der jetzigen Aktion vertuschen wollte, dass man die ganze Zeit gelogen hatte", sagte Garscha mit Blick auf Heims Verwandte.

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