10.03.2010 19:06 kurier.at
Massengrab in Grazer Kaserne
Wilhelm Theuretsbacher

Nazi-Terror: Jüngst freigegebene US-Luftbilder lokalisieren den Tatort eines der größten NS-Verbrechen der letzten Kriegstage

Ein Massengrab mit vermutlich 70 Opfern, ermordet von der SS im Jahr 1945, wurde nun mithilfe jüngst freigegebener Luftbilder der US Air Force in der Belgierkaserne in Graz lokalisiert. Dadurch wird eines der größten Verbrechen der letzten Kriegstage erhellt. Möglicherweise können auch noch zwei Täter aufgespürt werden.

Aufarbeitung
Gerüchte über ein Massengrab in Graz gab es schon lange. Der gelernte Historiker und Verteidigungsminister Norbert Darabos wollte als Grundeigentümer einen Beitrag zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen leisten, und vergab im Jahr 2008 an Univ.Prof. Dieter Binder einen Forschungsauftrag. Die Ergebnisse bringen heute neue Erkenntnisse zum unfassbaren Nazi-Terror der letzten Kriegstage.

Damals versuchten die lokalen NS-Größen angesichts der nahenden Roten Armee die Spuren ihrer Taten zu verwischen. Die Guillotine des Grazer Landesgerichtes wurde abgebaut und das Messer des Fallbeils vergraben. Nun sollten auch Zeugen beseitigt werden. Daraus wurde eine Blutorgie. Im Auftrag von Gestapo und Gauleitung wurden insgesamt 219 politische Gefangene, Kriegsgefangene, KZ-Insassen, und Zwangsarbeiter in der damaligen SS-Kaserne Wetzelsdorf - die heutige Belgierkaserne - ermordet. Keiner der Gepeinigten sollte nach Kriegsende gegen die Folterer aussagen können.

Verscharrt
Die Toten wurden in Bombentrichtern am Kasernenareal verscharrt. Der Kasernenkommandant befand sich zu diesem Zeitpunkt an der Front in Rechnitz. Nach seiner Rückkehr ordnete er die Verlegung der Massengräber auf den nahe gelegenen Schießplatz an, weil er Angst hatte, wegen der Toten belangt zu werden. Die Aktion konnte nicht abgeschlossen werden. Zwangsverpflichtete Arbeiter wurden als mögliche Mitwisser ebenfalls erschossen.

Die Alliierten entdeckten später das Massengrab auf dem Schießplatz. Die 142 Toten wurden auf dem Grazer Zentralfriedhof feierlich beigesetzt. Aber für die grauenhaften Geschehnisse der Apriltage interessierte sich niemand mehr - bis zum Jahr 2008. Auf Antrag von Professor Binder gab die US Air Force die hoch aufgelösten Fotos der US-Bomber frei. Die zeigen am 2. April frisch zugeschüttete Bombentrichter - eben die Massengräber. Einige Tage später sieht man geöffnete Trichter. Dort lagen die Toten, sie wurden umgebettet.

Sogar die Spuren der Lkw sind zu sehen. Die Bilder zeigen aber auch im Bereich des heutigen Sportplatzes weiterhin geschlossene Trichter. Massengräber, die bis heute bestehen. Minister Darabos hat den Sportplatz zum Sperrgebiet erklärt. Das Innenministerium wird in den kommenden Wochen die Krater öffnen, und versuchen, die Toten zu identifizieren.

kurier.at