Äusserung in einem
Interview
cer. Wien, 24. April
Der heute 94-jährige Simon Wiesenthal hat in einem Interview
mit der österreichischen Wochenzeitschrift «Format» Bilanz
seiner jahrzehntelangen Fahndung nach NS-Verbrechern gezogen.
Die Massenmörder, die er gesucht habe, sagt Wiesenthal, habe
er gefunden. Er habe sie «alle überlebt». Wenn es welche
gebe, die seinen Nachforschungen entgangen seien, so seien
sie heute zu alt und zu gebrechlich, um sich noch vor den
Gerichten zu verantworten.
Seine Devise «Recht, nicht Rache» habe er, wie er in dem
Gespräch rückblickend feststellt, weitgehend verwirklichen
können. Wiesenthal hatte sich nach Auskunft seines Büros
schon vor einigen Jahren von der aktiven Suche nach NS-Verbrechern
zurückgezogen. Doch nach wie vor verbringt er täglich mindestens
eine Stunde in dem von ihm ursprünglich 1947 in Linz gegründeten
und 1961 nach Wien verlagerten «Dokumentationszentrum des
Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes». Wiesenthal
sieht seine Lebensaufgabe naturgemäss als «nie beendet» an.
Nunmehr will sich der Hochbetagte gegen das Vergessen oder
Verharmlosen der NS-Verbrechen einsetzen; er möchte Kommunikation
und Aufklärung fördern. Sein Wiener Büro wird weiterhin Hinweise
auf mutmassliche Naziverbrecher entgegennehmen und diese
weiterleiten.
Die aktive Suche überlässt Wiesenthal allerdings den nach
ihm benannten Zentren in Los Angeles, Jerusalem und Paris.
Efraim Zuroff, der Leiter des Zentrums Jerusalem, ist schon
vor einem Vierteljahrhundert in die Fussstapfen Simon Wiesenthals
getreten. Zuroff interessiert sich gegenwärtig besonders
für die Aktivität österreichischer Polizeibataillone, die
laut Aktenfunden aus jüngster Zeit ebenso an Aktionen zur
Judenvernichtung im Osten im Schatten der deutschen Wehrmacht
beteiligt waren wie die SS. In einem Interview mit «Format»
beklagt Zuroff allerdings die von ihm behauptete «Inaktivität
der österreichischen Behörden». Diese hätten «keine nennenswerten
Aktivitäten» zur Aufklärung immer noch unaufgedeckter NS-Verbrechen
entfaltet - nach Meinung Zuroffs ein «direktes Resultat des
fehlenden Willens, NS-Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen».
URL: http://www.nzz.ch/2003/04/25/al/page-article8TFX7.html
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