19.12.2003 Salzburger Nachrichten
  Beschimpfungen statt Nazi-Hinweise

 
 

Wiesenthal Center will mit "Operation letzte Chance" noch lebende NS-Kriegsverbrecher fassen

WIEN (SN, APA).

Ernüchtert zeigt sich der "Nazi-Jäger" und Leiter des Jerusalemer Wiesenthal Centers, Efraim Zuroff, über die ersten Ergebnisse der diese Woche angelaufenen Hotline für Hinweise zur Ergreifung noch lebender, potenzieller österreichischer NS-Kriegsverbrecher (Tel.-Nr. 0800/20 40 54; E-Mail: [email protected]). Zu einem Fall sei etwas Information gekommen - das Gros der Anrufer habe allerdings entweder gemeint, man solle diese alten Männer in Ruhe lassen, oder habe Kritik an Israel geübt oder habe sich grundsätzlich antisemitisch geäu-ßert.

Mit der "Operation letzte Chance", bei der für entscheidende Hinweise zur Ergreifung eines NS-Täters eine Prämie von 10.000 Euro angeboten wird, will das Wiesenthal Center die Suche nach noch nicht gefassten NS-Kriegsverbrechern verstärken.

Anrufer äußern sich offen antisemitisch

Die erste Anzeige mit einem Aufruf unter dem Motto "Die Mörder sind unter uns" und der Aufforderung, sich mit nützlicher Information zu melden, wurde vergangenen Montag in einer Tageszeitung geschaltet. Etwa 60 Personen hätten sich daraufhin bis zur Wochenmitte gemeldet, sagte Zuroff.

" Wenn irgendjemand einen Beweis dafür gebraucht hat, wie dringend Österreich die Verurteilung eines NS-Kriegsverbrechers braucht - hier ist er", kommentierte er den Inhalt der bisherigen Telefonate und Mails. Und: Wenn irgendjemand daran zweifle, dass es in Österreich Antisemitismus gebe, untermauerten die bisherigen Erfahrungen bei der Hotline, dass viele hier lebende Menschen kein Interesse hätten, durch ein entsprechendes Gerichtsverfahren mit diesem Teil der Geschichte konfrontiert zu werden. Informationen sucht das Wiesenthal Center zu 47 konkreten Namen.

Was Zuroff am meisten wundert: Viele der Leute hätten kein Problem damit, Antisemitisches von sich zu geben und dennoch ihren Namen zu hinterlassen. Gefragt nach dem Alter der Personen, die sich gemeldet haben, sagte der Nazi-Jäger, sowohl ältere Männer als auch junge Menschen hätten Kontakt aufgenommen.

Eines betont Zuroff, der in Sachen Nazi-Jagd in die Fußstapfen Simon Wiesenthals getreten ist: Man werde den Erfolg der Aktion nicht nur nach der dadurch erzielten Anzahl von Hinweisen beurteilen. Vielmehr habe die "Operation letzte Chance" durchaus auch erzieherischen Charakter.


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