23.09.2005 Wiener Zeitung
  NS-Verbrechen: Österreicher soll vor kroatisches Gericht

 
 

Zagreb verlangt die Auslieferung eines Klagenfurters.

Zagreb/Klagenfurt. (schmoe/apa) Kroatien fordert von Österreich die Auslieferung des in Klagenfurt lebenden früheren Ustascha-Polizisten Milivoj Ašner wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen an Juden und Serben während des Zweiten Weltkriegs. Ašner soll Chef der mit den Nazis kollaborierenden Ustascha-Polizei in der rund 150 Kilometer östlich von Zagreb gelegenen Stadt Pozega gewesen sein. Die kroatische Justiz wirft Ašner, der 1945 nach Österreich flüchtete und seit 1946 neben der kroatischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, unter anderem Deportationen in Konzentrationslager, Raub und Vertreibung vor.

Im Oktober des Vorjahres machte ein kroatischer Reporter Ašner in Klagenfurt ausfindig. Im Juli bestätigte die dortige Staatsanwaltschaft, dass gegen den heute 92-Jährigen wegen Kriegsverbrechen an Serben und Juden während des Zweiten Weltkriegs ermittelt werde. Eine Anklage könnte noch heuer erfolgen, hieß es. Zuvor müsse aber das von den kroatischen Justizbehörden übermittelte Material übersetzt werden.

Der mutmaßliche Kriegsverbrecher kehrte 1991, nach der Unabhängigkeit Kroatiens, für einige Zeit in sein Geburtsland zurück. Im zentralkroatischen Daruvar gründete er die "Ursprüngliche Bauernpartei" und erlangte regionale Bekanntheit durch scharfe Reden, die sich hauptsächlich gegen Kommunisten und ehemalige jugoslawische Partisanen richteten. Als Ašner in Kroatien mit Vorwürfen konfrontiert wurde, Kriegsverbrechen begangen zu haben, kehrte er nach Österreich zurück.

Alen Budaj, ein kroatischer Amateurhistoriker, hatte im Rahmen seiner Forschungen über die Juden in der Stadt Pozega ein Dossier erstellt, das Ašner schwer belastet. Laut Medienberichten hat der Forscher ausreichend Beweise zusammengetragen, um einen Prozess zu rechtfertigen. Vor wenigen Tagen wandte sich Budaj in einem Offenen Brief unter anderem an Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Justizministerin Karin Gastinger, Außenministerin Ursula Plassnik. In dem Schreiben fordert auch Budaj Österreich auf, Ašner an Kroatien auszuliefern.

Zuroff-Anzeige

Der Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, hat bereits gegen Ašner Anzeige erstattet. Zuroff machte ihn gegenüber dem Völkerrechtsbüro im Außenministerium als Kriegsverbrecher namhaft. Ob es tatsächlich zu einer Anklage und Verurteilung Ašners kommen wird, hängt laut Behörden nicht nur von den Beweisen, sondern auch von der Verjährungsfrist ab.

Wiener Zeitung , 23.09.2005