28.09.2005 der Standard
  Letzte Suche im " lausigen Land "

 
 

Die österreichische Justiz hatte nie den besten Ruf, wenn es um die Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern geht - Jetzt bemüht man sich um Druck

Justizministerin Karin Gastinger (BZÖ) kann sich eine Ergreiferprämie für den KZ-Arzt Aribert Heim vorstellen.

***

Wien - Über Aribert Heim ist alles bekannt, nur eines nicht: sein Aufenthaltsort. Der KZ-Arzt, am 28.Juni 1914 in Bad Radkersburg geboren, gehört zu den wenigen noch lebenden Nazi-Schergen, die es seit über vier Jahrzehnten geschafft haben, einer Anklage zu entgehen. Derzeit vermuten Fahnder den mutmaßlichen Mörder in Spanien. Heim ist einer von zwei prominenten österreichischen Persönlichkeiten, gegen die die heimischen Behörden ermitteln. Der andere ist der 91-jährige Milivoj Asner, ihm werden Kriegsverbrechen an Serben und Juden während des Zweiten Weltkriegs im faschistischen kroatischen Ustascha-Regime (1941-45) angelastet. Asner, der bereits 1946 die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt, lebt seit vergangenen Juli wieder in Klagenfurt - nach kroatischen Medienberichten in der Wohnung seines Sohnes.

In Erinnerung gerufen wurden diese beiden Fälle nicht durch die Justiz, sondern durch den Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem , Efraim Zuroff.

Letzte Chance

"Operation Last Chance" heißt die Aktion, bei der die letzten noch lebenden Kriegsverbrecher gefasst werden sollen. Zuroff war es auch, der Asner den kroatischen Behörden meldete. Daraufhin flüchtete er nach Österreich. Asner verständigte daraufhin das Völkerrechtsbüro im Außenministerium.

Der zuständige Staatsanwalt in Klagenfurt , Helmut Jamnig, sichtet gerade die umfangreichen, von den kroatischen Behörden übermittelten Akten. Im Justizministerium wünscht man sich, dass noch dieses Jahr Anklage erhoben wird. "Das kann man nicht abschätzen", meint Jamnig gegenüber dem Standard. Fest steht: Asner soll nicht ausgeliefert werden.

Dringlichkeiten

In der Causa Heim ist die Staatsanwaltschaft Linz zuständig - und das seit mehreren Jahrzehnten. "Wir haben begrenzte Kapazitäten. Jede Haftsache ist dringender als eine Nichthaftsache. Da entstehen automatisch Dringlichkeiten", meint der für Medien kontakte zuständige Staatsanwalt Rainer Schoppe fast entschuldigend.

Justizministerin Karin Gastinger (BZÖ) bemüht sich, Druck zu machen. "Sie unternimmt alles ihr Mögliche, um diese beiden Fälle zu einem Ergebnis zu bringen", erklärt ihr Sprecher Christof Pöchinger. Dafür will die Ministerin alle Mittel ausschöpfen, um Heim habhaft zu werden.

Ergreiferprämie

"Auch eine Ergreiferprämie", präzisiert Pöchinger. Zuständig dafür ist allerdings das Innenministerium. Dort heißt es auf Standard-Anfrage, dass eine "Auslobung" möglich sei.

Nazis für Cash - dieses System ist nicht unumstritten. Geld ist aber oft der beste Anreiz, um die Mauer aus alten Seilschaften und heimlichen Geldgebern zu durchbrechen, die mutmaßliche Mörder auch noch 60 Jahre nach Ende des Nazi-Regimes schützt.

"Was die Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern angeht, ist Österreich eines der lausigsten Länder der Welt", klagte Zuroff erst vor kurzem im Spiegel. "Kurz gesagt ist der Umgang der österreichischen Justiz in diesem Bereich zwiespältig zu sehen", sagt die Historikerin und Leiterin der "Forschungsstelle Nachkriegsjustiz" Claudia Kuretsidis-Haider im Gespräch mit dem Standard. In den ersten zehn Jahren habe es mit den so genannten Volksgerichten eine eigene Gerichtsbarkeit gegeben - mit einem eigens dafür geschaffenen Kriegsverbrechergesetz. Kuretsidis-Haider: "Damals ist eigentlich der große Teil der justiziellen Vergangenheitsbewältigung geleistet worden." In Zahlen gegossen: 13.000 Personen wurden verurteilt, 43 Todesurteile erlassen und 30 vollstreckt.

Kaum waren die Alliierten weg, gab es auch die Volksgerichte nicht mehr. Ab nun war die "normale" Geschworenengerichtsbarkeit zuständig. Gegen 51 Personen, die in Verbrechen im KZ Auschwitz verwickelt waren, wurde in den 60er Jahren ermittelt. Vier landeten 1972 auf der Anklagebank - und wurden später freigesprochen. Das letzte Urteil gab es 1975 gegen einen Aufseher im KZ-Mauthausen. Er kam frei. Noch offen ist der Fall des Heinrich Gross. Das Verfahren gegen den ehemaligen NS-Arzt wird derzeit nicht weiter geführt, er gilt als verhandlungsunfähig.

Und 1997 wollten Österreichische Ermittler die uneheliche Tochter Heims befragen, die in Innsbruck gemeldet ist. Ihre Mutter erklärte, sie leide an Übergewicht und sei nicht vernehmungsfähig. Eine Ausrede, die ausreichte. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2005)