By Andreas Förster
10 000 Dollar für Hinweise auf NS-Kriegsverbrecher
BERLIN, 31. August. Das Simon Wiesenthal Center in Jerusalem
erhöht den Druck auf Österreich, die Strafverfolgung gegen
frühere NS-Kriegsverbrecher wieder aufzunehmen. Seit mehr
als zwei Jahrzehnten sei in Österreich keinem Holocaust-Täter
mehr der Prozess gemacht worden, heißt es in einem Bericht
des Centers, das die weltweite Verfolgung von NS-Verbrechen
koordiniert. Im September will die Einrichtung aus Jerusalem
daher in Wien die "Operation
letzte Chance" starten, von der sie sich weitere Hinweise auf in Österreich versteckte Kriegsverbrecher
erhofft. Eine ähnliche Aktion hatte das Wiesenthal Center
erstmals im Vorjahr in den baltischen Staaten durchgeführt.
Bei der "Operation
letzte Chance" wird für Hinweise, die zu Ermittlungen gegen NS-Täter führen, eine Prämie von
10 000 US-Dollar ausgesetzt. Die Aktion hatte in den baltischen
Staaten zwar für viel Kritik gesorgt, war aber auch erfolgreich:
In Litauen wurden zwei Mordermittlungsverfahren gegen insgesamt
zwanzig Verdächtige eröffnet. Dass das Wiesenthal Center
jetzt auch in Österreich zu der von konservativen Kreisen
schon als "Kopfgeldjagd" bezeichneten Aktion aufruft, hat mit der dort praktisch seit langem eingestellten
Strafverfolgung von NS-Tätern zu tun. Im jüngsten Bericht
des Centers über die "Weltweite Untersuchung und Verfolgung von NS-Kriegsverbrechen" kommt das deutsche Nachbarland ganz schlecht weg.
Keine Verfahren in Österreich
"
Österreich ist jenes Land, das - gemessen an der Zahl potenzieller
Verdächtiger und Täter - am wenigsten getan hat, Menschen
vor Gericht zu stellen",
heißt es in dem Bericht. In mehr als einem Dutzend Staaten
weltweit laufen derzeit dem Bericht zufolge noch Ermittlungen
gegen rund 500 Verdächtige. Allein zwischen April 2002 und
März 2003 kam es zu sechs Urteilen gegen NS-Kriegsverbrecher.
Das letzte in Österreich geführte Gerichtsverfahren gegen
einen Nazi-Täter datiert dagegen aus dem Jahre 1975.
Der Zorn über die österreichische Schlussstrich-Mentalität
hatte das Wiesenthal Center bereits im vergangenen Monat
zu einem ungewöhnlichen Schritt veranlasst. Im August übergab
der Direktor des Centers, Efraim Zuroff, der Botschaft Wiens
in Israel eine Liste mit 47 Namen von Österreichern, die
im Verdacht stehen, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen
zu sein.
Einem Bericht des österreichischen Nachrichtenmagazins profil
zufolge handelt es sich dabei um Männer, die als Angehörige
der berüchtigten Polizeibataillon an Judenmorden und anderen
Kriegsverbrechen in Osteuropa beteiligt waren. Wie Zuroff
dem Magazin sagte, nimmt das Wiesenthal Center an, dass diese
Männer noch am Leben sind und in Österreich wohnen.
Knapp die Hälfte der übermittelten Namen betreffen ehemalige
Angehörige der Polizeibataillone 61 und 316. Neben den Namen
enthält die Liste auch Angaben zu den Bataillonen 314 und
318, deren Heimatstandort jeweils Wien gewesen ist.
Letztes Urteil 1975 // Ein Freispruch war das letzte Urteil
in einem NS-Kriegsverbrecherprozess in Österreich. Am 2.
Dezember 1975 wurde der frühere SS-Mann Johann Gogl, dem
vielfacher Mord im Konzentrationslager Mauthausen vorgeworfen
worden war, von jeder Schuld freigesprochen.
Noch in den ersten Nachkriegsjahren hatten eigens gebildete
Volksgerichte zwischen 3 000 und 4 000 Urteile gegen NS-Täter
ausgesprochen. Ab 1948 aber, als eine Vielzahl der Verurteilten
durch eine erste Amnestie freikam, ließ die Ermittlungstätigkeit
rapide nach. 1955 wurden die Volksgerichte aufgelöst.
Bis 1975 kamen nur noch 48 Menschen wegen schwerer Kriegsverbrechen
vor ein österreichisches Gericht; 20 von ihnen wurden verurteilt.
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