09.03.2007 tirol.com
  Obenfeldner: "Ich war kein Kriegsverbrecher"
Der ehemalige Innsbrucker VBM nimmt im TT-Gespräch zu seiner Vergangenheit bei der Gestapo und Wehrmacht Stellung.
 
 

TT: Herr Obenfeldner, Ihnen wird vom Simon-Wiesenthal-Zentrum und vom Bund Sozialdemokratischer Akademiker vorgeworfen, Ihre Vergangenheit im NS-Regime verschleiert zu haben. War das der Fall?

Obenfeldner: Ich weiß nicht, wie ich etwas verschleiern hätte können. Ich war seit 1945 in der Politik tätig und habe immer angegeben, dass ich von 1938 bis 1940 bei der Geheimen Staatspolizei war. Dort habe ich die Personalakten geordnet. Für alle Positionen bzw. Funktionen nach dem Krieg habe ich mich ordnungsgemäß beworben. Ich musste nichts verschleiern, weil ich nichts getan habe.

"Nicht organisiert"

TT: Welche Funktion hatten Sie in der Reichskristallnacht im November 1938 ?

Obenfeldner: Ich kam erst im Juli 1938 zur Staatspolizei, wie soll ich da etwas mit der Organisation des Pogroms zu tun gehabt haben? Alle Angestellten der Gestapo wurden um 17 Uhr in die Dienststelle beordert. Uns wurde mitgeteilt, die SA und die SS hätten Aktionen vor, und wir sollten schauen, dass die Schäden kein zu großes Ausmaß nehmen. Aber wir hätten erst in die Häuser reingehen sollen, wenn die SA und die SS wieder herauskommen. Da habe ich zu meinem Kollegen gesagt, auf das lassen wir uns nicht ein. Da kommen wir in ein Schlamassel. Wir schreien einfach in die Häuser hinein, "Achtung Polizei", dann laufen die SSler schon weg. Das haben wir auch getan.

TT: Gegen Sie wurden aber auch Strafverfahren eingeleitet.

Obenfeldner: Diese wurden eingestellt. Sie beruhten auf Anklagen von Heinz Friese. Dieser gab sich als Diplompsychologe aus und wollte in der Krankenkasse arbeiten. Er hat sich sein Diplom erschlichen, was ich ihm nachwies. Dann folgte seine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft.

TT: Warum sind Sie 1938 zur Polizei gegangen?

Obenfeldner: Vom Bundesheer wollte ich eigentlich zur Zollwache, aber meine Freunde von den Revolutionären Sozialisten meinten, ich solle eher zur Polizei gehen. Dort hätte man die Roten rausgeworfen, unsere Vertrauensleute fehlten jetzt.

TT: Der Auftrag der Revolutionären Sozialisten wird aber ebenfalls angezweifelt.

Obenfeldner: Es war, wie ich es gesagt habe. Dafür gibt es Beweise. U.a. ein Gedächtnisprotokoll von Ferdinand Kaiser. Ich habe mich dann beworben. Und weil ich die Stenoprüfung hatte, wurde ich in die Verwaltung aufgenommen. Ich war froh, dass ich nicht in den Exekutivdienst gekommen bin. In der Verwaltung konnte ich viel erfragen und so den Auftrag meiner Leute erfüllen. Held war ich aber keiner.

TT: Haben Sie in dieser Zeit etwas von den Repressionen der Gestapo mitbekommen?

Obenfeldner: Viele Leute sind zu mir gekommen, und fragten mich, ob ich ihnen helfen kann. Beispielsweise ein Eisenbahner, der Hitler als Arschloch bezeichnet hatte und angezeigt wurde. Man wollte ihn ins KZ schicken. Ich sprach mit dem Kommissar, der meinte: Ins KZ schicken wir den Familienvater sicher nicht.

SS-Ansuchen gestellt

TT: Waren Sie je Mitglied der SS oder NSDAP?

Obenfeldner: Ich war weder bei der NSDAP noch bei der SS. Als ich bei der Staatspolizei war, kam aber der Personalchef zu mir und sagte: So geht das nicht, du musst schon irgendwo dazugehen, sonst bist du bei uns am falschen Platz. Ich habe dann ein Aufnahmeansuchen für die NSDAP und die SS gestellt. Während des Kriege habe ich aber nichts mehr davon gehört, ob ich aufgenommen wurde oder nicht. Mit dem Ausfüllen der Fragebogen war meine Parteitätigkeit beendet. Das alles habe ich wahrheitsgemäß bei der Registrierung angegeben und wurde deshalb als minderbelastet eingestuft.

TT: Wenn Sie sich heute noch einmal entscheiden könnten: Wären Sie damals zur Gestapo gegangen?

Obenfeldner: Ganz sicher nicht. Vielen, auch mir, war nicht bekannt, was daraus wird. Wer hat denn nach der Machtübernahme Hitlers schon eine Ahnung gehabt, was daraus wird? Wie ich aber gehört habe, dass ich der politischen Polizei angehöre, dachte ich zuerst, dadurch könnte ich viel für meine sozialistischen Freunde erfragen. Aber letztlich wollte ich nicht als politisches Werkzeug herhalten und zurück zum Heer. Weg von der Staatspolizei.

TT: Ab 1940 dienten Sie bei der 5. Gebirgsjägerdivision, der Kriegsverbrechen auf Kreta und Italien angelastet werden.

Obenfeldner: Ich war Stabsschreiber, den Generalmajor Julius Ringel habe ich allerdings gut gekannt. Auf Kreta kamen wir zu einem Ort, wo drei Landser am Tor aufgehängt waren. Im Mund steckten ihre Genitalien. Da hat der Generalmajor befohlen, alle wehrfähigen Männer im Dorf zu erschießen. Das wird der Gebirgsdivision angelastet.

TT: Haben Sie mitgewirkt?

Obenfeldner: Sicher nicht. Ich war nur 1B-Schreiber und habe alles erst danach erfragt.

TT: Fühlen Sie sich ungerecht behandelt?

Obenfeldner: Ich bin erstaunt, dass alles jetzt auf dieses Gleis geschoben wird Es kommt ja so rüber, als ob ich der größte Nazi in Österreich gewesen wäre. Diese Beschuldigungen kann ich nicht zur Kenntnis nehmen. Ich entschloss mich, schon nach Erscheinen des Buches "Der Wille zum aufrechten Gang" zu wehren. Mein Anwalt und ich verhandeln gerade mit dem Präsidenten der sozialdemokratischen Akademiker, Caspar Einem, über eine Ehrenerklärung. Ich will keinen politischen Wirbel und hoffe auf eine außergerichtliche Lösung. Ich möchte endlich einen Schlussstrich ziehen, die Vorwürfe müssen aufhören. Denn ich habe nichts verheimlicht.

Das Gespräch führte Peter Nindler

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