TT: Herr Obenfeldner, Ihnen wird
vom Simon-Wiesenthal-Zentrum und vom Bund Sozialdemokratischer
Akademiker vorgeworfen, Ihre Vergangenheit im NS-Regime verschleiert
zu haben. War das der Fall?
Obenfeldner: Ich weiß nicht, wie ich etwas verschleiern hätte können. Ich war
seit 1945 in der Politik tätig und habe immer angegeben,
dass ich von 1938 bis 1940 bei der Geheimen Staatspolizei
war. Dort habe ich die Personalakten geordnet. Für alle Positionen
bzw. Funktionen nach dem Krieg habe ich mich ordnungsgemäß
beworben. Ich musste nichts verschleiern, weil ich nichts
getan habe.
"Nicht organisiert"
TT: Welche Funktion hatten Sie in
der Reichskristallnacht im November 1938 ?
Obenfeldner: Ich kam erst im Juli
1938 zur Staatspolizei, wie soll ich da etwas mit der Organisation
des Pogroms zu tun gehabt haben? Alle Angestellten der Gestapo
wurden um 17 Uhr in die Dienststelle beordert. Uns wurde
mitgeteilt, die SA und die SS hätten Aktionen vor, und wir
sollten schauen, dass die Schäden kein zu großes Ausmaß nehmen.
Aber wir hätten erst in die Häuser reingehen sollen, wenn
die SA und die SS wieder herauskommen. Da habe ich zu meinem
Kollegen gesagt, auf das lassen wir uns nicht ein. Da kommen
wir in ein Schlamassel. Wir schreien einfach in die Häuser
hinein, "Achtung Polizei", dann laufen die SSler schon weg. Das haben wir auch getan.
TT: Gegen Sie wurden aber auch Strafverfahren
eingeleitet.
Obenfeldner: Diese wurden eingestellt.
Sie beruhten auf Anklagen von Heinz Friese. Dieser gab sich
als Diplompsychologe aus und wollte in der Krankenkasse arbeiten.
Er hat sich sein Diplom erschlichen, was ich ihm nachwies.
Dann folgte seine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft.
TT: Warum sind Sie 1938 zur Polizei
gegangen?
Obenfeldner: Vom Bundesheer wollte
ich eigentlich zur Zollwache, aber meine Freunde von den
Revolutionären Sozialisten meinten, ich solle eher zur Polizei
gehen. Dort hätte man die Roten rausgeworfen, unsere Vertrauensleute
fehlten jetzt.
TT: Der Auftrag der Revolutionären
Sozialisten wird aber ebenfalls angezweifelt.
Obenfeldner: Es war, wie ich es gesagt
habe. Dafür gibt es Beweise. U.a. ein Gedächtnisprotokoll
von Ferdinand Kaiser. Ich habe mich dann beworben. Und weil
ich die Stenoprüfung hatte, wurde ich in die Verwaltung aufgenommen.
Ich war froh, dass ich nicht in den Exekutivdienst gekommen
bin. In der Verwaltung konnte ich viel erfragen und so den
Auftrag meiner Leute erfüllen. Held war ich aber keiner.
TT: Haben Sie in dieser Zeit etwas
von den Repressionen der Gestapo mitbekommen?
Obenfeldner: Viele Leute sind zu mir
gekommen, und fragten mich, ob ich ihnen helfen kann. Beispielsweise
ein Eisenbahner, der Hitler als Arschloch bezeichnet hatte
und angezeigt wurde. Man wollte ihn ins KZ schicken. Ich
sprach mit dem Kommissar, der meinte: Ins KZ schicken wir
den Familienvater sicher nicht.
SS-Ansuchen gestellt
TT: Waren Sie je Mitglied der SS oder
NSDAP?
Obenfeldner: Ich war weder bei der
NSDAP noch bei der SS. Als ich bei der Staatspolizei war,
kam aber der Personalchef zu mir und sagte: So geht das nicht,
du musst schon irgendwo dazugehen, sonst bist du bei uns
am falschen Platz. Ich habe dann ein Aufnahmeansuchen für
die NSDAP und die SS gestellt. Während des Kriege habe ich
aber nichts mehr davon gehört, ob ich aufgenommen wurde oder
nicht. Mit dem Ausfüllen der Fragebogen war meine Parteitätigkeit
beendet. Das alles habe ich wahrheitsgemäß bei der Registrierung
angegeben und wurde deshalb als minderbelastet eingestuft.
TT: Wenn Sie sich heute noch einmal
entscheiden könnten: Wären Sie damals zur Gestapo gegangen?
Obenfeldner: Ganz sicher nicht. Vielen,
auch mir, war nicht bekannt, was daraus wird. Wer hat denn
nach der Machtübernahme Hitlers schon eine Ahnung gehabt,
was daraus wird? Wie ich aber gehört habe, dass ich der politischen
Polizei angehöre, dachte ich zuerst, dadurch könnte ich viel
für meine sozialistischen Freunde erfragen. Aber letztlich
wollte ich nicht als politisches Werkzeug herhalten und zurück
zum Heer. Weg von der Staatspolizei.
TT: Ab 1940 dienten Sie bei der 5.
Gebirgsjägerdivision, der Kriegsverbrechen auf Kreta und
Italien angelastet werden.
Obenfeldner: Ich war Stabsschreiber,
den Generalmajor Julius Ringel habe ich allerdings gut gekannt.
Auf Kreta kamen wir zu einem Ort, wo drei Landser am Tor
aufgehängt waren. Im Mund steckten ihre Genitalien. Da hat
der Generalmajor befohlen, alle wehrfähigen Männer im Dorf
zu erschießen. Das wird der Gebirgsdivision angelastet.
TT: Haben Sie mitgewirkt?
Obenfeldner: Sicher nicht. Ich war
nur 1B-Schreiber und habe alles erst danach erfragt.
TT: Fühlen Sie sich ungerecht behandelt?
Obenfeldner: Ich bin erstaunt, dass
alles jetzt auf dieses Gleis geschoben wird Es kommt ja so
rüber, als ob ich der größte Nazi in Österreich gewesen wäre.
Diese Beschuldigungen kann ich nicht zur Kenntnis nehmen.
Ich entschloss mich, schon nach Erscheinen des Buches "Der Wille zum aufrechten Gang" zu wehren. Mein Anwalt und ich verhandeln gerade mit dem Präsidenten der sozialdemokratischen
Akademiker, Caspar Einem, über eine Ehrenerklärung. Ich will
keinen politischen Wirbel und hoffe auf eine außergerichtliche
Lösung. Ich möchte endlich einen Schlussstrich ziehen, die
Vorwürfe müssen aufhören. Denn ich habe nichts verheimlicht.
Das Gespräch führte Peter Nindler
tirol.com
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