»Kopfprämien«
sollen beliebtem Vergessen entgegen wirken
Von René Heilig
Er hoffe, die Kriegsverbrecher werden die letzte, friedvoll
verbrachte Nacht erlebt haben, sagte Aryeh Rubin, Vertreter
der Stiftung Targum Shlishi. Er ist Financier einer ungewöhnlichen
Methode, um Nazi-Verbrecher, die in Österreich unbehelligt
leben, vor Gericht zu bringen. Mit einer Prämie von 10000
Dollar für relevante Hinweise will man einen Anreiz schaffen,
um die Strafverfolgung gegen NS-Verbrecher aufzunehmen. Mit
Zeitungsanzeigen werde man gegen das Vergessen werben. Eine
ähnliche Aktion war vor einem Jahr mit einigem Erfolg in
den baltischen Staaten gestartet worden.
Initiiert wird die »Operation letzte Chance« von Leiter des
Jerusalemer Wiesenthal-Centers, Efraim Zuroff. Besondere
Aufmerksamkeit richtet sich – so berichtete er gegenüber
der Wiener Presse – auf das Thema Polizei-Bataillone. In
diesen Einheiten, die zum Teil der SS direkt zugeordnet waren,
dienten auch zahlreiche Österreicher. Der deutsche Historiker
Stefan Klemp hat im Auftrag des Wiesenthal-Center recherchiert.
Er glaubt, dass bis zu 500000 Opfer auf das Konto der so
genannten Polizei-Bataillone gehen. Zehntausende Zivilisten
sind zudem von Polizei-Truppen deportiert oder zur Zwangsarbeit
zusammengetrieben worden. Derartige Einheiten, in denen nachweislich
Österreicher dienten, waren u.a. in der Sowjetunion, auf
dem Balkan, in Griechenland, Finnland und bei der Beseitigung
des Warschauer Gettos eingesetzt. Bei den wenigen in Deutschland
geführten Prozessen gegen Angehörige solcher Bataillone waren
auch mehrmals Täter genannt worden, die möglicherweise in
Österreich leben. Eine Ermittlung oder gar Anklage hat
es dort jedoch nie gegeben. So wie es auch keine zentrale
Stelle zur Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen gibt.
Unterm 1945 errichteten Besatzungsregime gab es bis 1955
in Österreich 13607 Verurteilungen. Nach der Entlassung in
die Unabhängigkeit hat sich das nationale Selbstverständnis,
selbst erstes Opfer der Hitler-Diktatur gewesen zu sein,
durchgesetzt und eine weitere Aufarbeitung der Nazizeit wesentlich
behindert.
Zu Wochenbeginn hat das Wiesenthal-Center Justizminister
Dieter Böhmdorfer (FPÖ) eine Liste mit 47 Namen mutmaßlicher
Nazi-Verbrecher übergeben. Der Minister, so der Wiener »Standard«
habe volle Kooperation zugesichert. Der Präsident der Israelitischen
Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, meinte, es wäre schon viel
geleistet, wenn man sich jene ansehen würden, die sich immer
noch zu SS-Kameradschaftstreffen zusammenfinden.
Die Aktion hat zu teilweise sehr heftigen Gegenreaktionen
in den Chat-Räumen verschiedener Medien geführt. Die im Parlament
vertretenen Parteien haben sich nicht geäußert.
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