18.09.03 NEUES DEUTSCHLAND
  »Operation letzte Chance« gegen Kriegsverbrecher in Österreich

 
 

»Kopfprämien« sollen beliebtem Vergessen entgegen wirken

Von René Heilig

Er hoffe, die Kriegsverbrecher werden die letzte, friedvoll verbrachte Nacht erlebt haben, sagte Aryeh Rubin, Vertreter der Stiftung Targum Shlishi. Er ist Financier einer ungewöhnlichen Methode, um Nazi-Verbrecher, die in Österreich unbehelligt leben, vor Gericht zu bringen. Mit einer Prämie von 10000 Dollar für relevante Hinweise will man einen Anreiz schaffen, um die Strafverfolgung gegen NS-Verbrecher aufzunehmen. Mit Zeitungsanzeigen werde man gegen das Vergessen werben. Eine ähnliche Aktion war vor einem Jahr mit einigem Erfolg in den baltischen Staaten gestartet worden.

Initiiert wird die »Operation letzte Chance« von Leiter des Jerusalemer Wiesenthal-Centers, Efraim Zuroff. Besondere Aufmerksamkeit richtet sich – so berichtete er gegenüber der Wiener Presse – auf das Thema Polizei-Bataillone. In diesen Einheiten, die zum Teil der SS direkt zugeordnet waren, dienten auch zahlreiche Österreicher. Der deutsche Historiker Stefan Klemp hat im Auftrag des Wiesenthal-Center recherchiert. Er glaubt, dass bis zu 500000 Opfer auf das Konto der so genannten Polizei-Bataillone gehen. Zehntausende Zivilisten sind zudem von Polizei-Truppen deportiert oder zur Zwangsarbeit zusammengetrieben worden. Derartige Einheiten, in denen nachweislich Österreicher dienten, waren u.a. in der Sowjetunion, auf dem Balkan, in Griechenland, Finnland und bei der Beseitigung des Warschauer Gettos eingesetzt. Bei den wenigen in Deutschland geführten Prozessen gegen Angehörige solcher Bataillone waren auch mehrmals Täter genannt worden, die möglicherweise in Österreich leben. Eine Ermittlung oder gar Anklage hat es dort jedoch nie gegeben. So wie es auch keine zentrale Stelle zur Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen gibt. Unterm 1945 errichteten Besatzungsregime gab es bis 1955 in Österreich 13607 Verurteilungen. Nach der Entlassung in die Unabhängigkeit hat sich das nationale Selbstverständnis, selbst erstes Opfer der Hitler-Diktatur gewesen zu sein, durchgesetzt und eine weitere Aufarbeitung der Nazizeit wesentlich behindert.
Zu Wochenbeginn hat das Wiesenthal-Center Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) eine Liste mit 47 Namen mutmaßlicher Nazi-Verbrecher übergeben. Der Minister, so der Wiener »Standard« habe volle Kooperation zugesichert. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, meinte, es wäre schon viel geleistet, wenn man sich jene ansehen würden, die sich immer noch zu SS-Kameradschaftstreffen zusammenfinden.
Die Aktion hat zu teilweise sehr heftigen Gegenreaktionen in den Chat-Räumen verschiedener Medien geführt. Die im Parlament vertretenen Parteien haben sich nicht geäußert.