Die Justiz wehrt sich gegen die Vorwürfe des Wiesenthal-Centers
Wien - "Vor 30 Jahren
wurde ich zwei Tage lang verhört. Und nichts ist rausgekommen": Im Gespräch mit dem Standard weist Erna Wallisch jede Schuld von sich. Dennoch
liest sie ihren Namen dieser Tage wieder in den Zeitungen. "Ich verstehe nicht, warum das jetzt wieder aufkommt", klagt Wallisch.
Als eine von zwei in Österreich ansäßigen Personen taucht die betagte Frau in
einer Liste der elf meistgesuchten mutmaßlichen NS-Verbrecher
des Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusalem auf. Wallisch,
Jahrgang 1922, soll als KZ-Wächterin während der Nazi-Zeit
zu Massenmord beigetragen haben, ebenso der heute 93-jährige
Ex-Polizist Milivoj Asner.
Fehler der Vergangenheit
Weil die beiden auf freiem Fuß sind,
wirft Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal-Centers, der österreichischen
Justiz "bodenloses Versagen" vor. Eine Kritik, die das Justizministerium freilich nicht auf sich sitzen lässt.
Versäumnisse seien passiert, räumt
Sprecher Thomas Geiblinger ein - allerdings vor der Zeit
der seit Jahresbeginn amtierenden Justizministerin Maria
Berger (SPÖ). Und die Fehler der Vergangenheit ließen sich
heute nur mehr schwer ausmerzen.
Gegen Wallisch hatte die Justiz bereits
in den 70ern ermittelt. Für den Vorwurf des Mordes hätten
die Beweise damals aber nicht ausgereicht - und das Delikt
Beihilfe zum Mord sei bereits verjährt gewesen. Das Justizministerium
prüft nun, ob der Fall von Neuem aufgerollt werden kann.
Ähnlich die Causa Asner. Kroatien
wolle zwar die Auslieferung des ehemaligen Aktivisten der
faschistischen Ustascha. Doch zwei von der Justiz in Auftrag
gebene Gutachten bescheinigen Asner, der heute kroatischer
Staatsbürger ist, weder verhandlungs- noch vernehmungsfähig
zu sein. Warum Asner nicht schon vor Jahrzehnten, als er
noch Österreicher war, der Prozess gemacht wurde? "Das ist die Frage", sagt Geiblinger.
Eine Antwort weiß Brigitte Bailer,
Leiterin des Dokummentationsarchivs für österreichischen
Widerstand: In den 70ern hätten Geschworenengerichte in NS-Prozessen
einige unverständliche Freisprüche gefällt. Um weitere blamable
Urteile zu vermeiden, habe die Justiz die Verfolgung von
Nazi-Verbrechern eingestellt. "Bis zuletzt hatte dieses Anliegen für die Justiz nie Priorität", sagt Bailer. Erst der neuen Justizministerin Berger attestiert Bailer "guten Willen". (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2007)
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