04. September 2007 18:36

 
  "Versäumnisse der Vergangenheit"  
 

Die Justiz wehrt sich gegen die Vorwürfe des Wiesenthal-Centers

Wien - "Vor 30 Jahren wurde ich zwei Tage lang verhört. Und nichts ist rausgekommen": Im Gespräch mit dem Standard weist Erna Wallisch jede Schuld von sich. Dennoch liest sie ihren Namen dieser Tage wieder in den Zeitungen. "Ich verstehe nicht, warum das jetzt wieder aufkommt", klagt Wallisch.

Als eine von zwei in Österreich ansäßigen Personen taucht die betagte Frau in einer Liste der elf meistgesuchten mutmaßlichen NS-Verbrecher des Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusalem auf. Wallisch, Jahrgang 1922, soll als KZ-Wächterin während der Nazi-Zeit zu Massenmord beigetragen haben, ebenso der heute 93-jährige Ex-Polizist Milivoj Asner.

Fehler der Vergangenheit

Weil die beiden auf freiem Fuß sind, wirft Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal-Centers, der österreichischen Justiz "bodenloses Versagen" vor. Eine Kritik, die das Justizministerium freilich nicht auf sich sitzen lässt.

Versäumnisse seien passiert, räumt Sprecher Thomas Geiblinger ein - allerdings vor der Zeit der seit Jahresbeginn amtierenden Justizministerin Maria Berger (SPÖ). Und die Fehler der Vergangenheit ließen sich heute nur mehr schwer ausmerzen.

Gegen Wallisch hatte die Justiz bereits in den 70ern ermittelt. Für den Vorwurf des Mordes hätten die Beweise damals aber nicht ausgereicht - und das Delikt Beihilfe zum Mord sei bereits verjährt gewesen. Das Justizministerium prüft nun, ob der Fall von Neuem aufgerollt werden kann.

Ähnlich die Causa Asner. Kroatien wolle zwar die Auslieferung des ehemaligen Aktivisten der faschistischen Ustascha. Doch zwei von der Justiz in Auftrag gebene Gutachten bescheinigen Asner, der heute kroatischer Staatsbürger ist, weder verhandlungs- noch vernehmungsfähig zu sein. Warum Asner nicht schon vor Jahrzehnten, als er noch Österreicher war, der Prozess gemacht wurde? "Das ist die Frage", sagt Geiblinger.

Eine Antwort weiß Brigitte Bailer, Leiterin des Dokummentationsarchivs für österreichischen Widerstand: In den 70ern hätten Geschworenengerichte in NS-Prozessen einige unverständliche Freisprüche gefällt. Um weitere blamable Urteile zu vermeiden, habe die Justiz die Verfolgung von Nazi-Verbrechern eingestellt. "Bis zuletzt hatte dieses Anliegen für die Justiz nie Priorität", sagt Bailer. Erst der neuen Justizministerin Berger attestiert Bailer "guten Willen". (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2007)