Aus den Lautsprechern des ostpolnischen Konzentrationslagers
Majdanek dröhnte am 3. November 1943 klassische Musik. "Erntefest" nannten
die Nationalsozialisten in ihren Akten das grausame Massaker,
das an diesem Tag stattfand. 18.000 Juden wurden damals
erschossen, 8.000 davon waren Häftlinge des Vernichtungslagers.
Die Wagner-Chöre sollten die Schreie der Sterbenden und
die Schüsse ihrer Mörder übertönen. Erna Wallisch arbeitete
als Aufseherin an diesem 3. November 1943 in Majdanek.
64 Jahre später, im Oktober vergangenen Jahres, stöberte der britische Aufdeckungsjournalist
Guy Walters sie in ihrer Wohnung in Wien-Donaustadt auf und
löste damit eine Welle der Berichterstattung aus. Dazu kamen
neue Zeugenaussagen von Überlebenden aus dem KZ, die Wallisch
belasten - die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt zurzeit
in dieser Causa. Eineinhalb Jahre lang hatte die heute 85-Jährige
als Wärterin in dem polnischen Vernichtungslager Dienst versehen.
"Wir haben sie alle nur,
Die Bestie' genannt", erinnert sich Jadwiga Landowska n ihre frühere Peinigerin. Die Aussagen der
Polin über Erna Wallisch trugen maßgeblich dazu bei, dass
die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die alte Frau aufgenommen
hat.
"Nur noch eine Fratze"
Ihre Furcht vor der um einen halben Kopf größeren Frau beruht
auf einem Erlebnis, das sie als das schlimmste während
ihrer Gefangenschaft bezeichnet: "Ich
weiß nicht, warum, aber sie hat auf einen Jungen eingeschlagen,
mit einem Holzscheit, immer und immer wieder." Der Junge blieb schließlich leblos am Boden liegen. Er atmete nicht mehr, das
Gesicht blutüberströmt. "Und Wallischs Antlitz war nur noch eine Fratze", berichtet Jadwiga Landowska über das Erlebte.
Winfried Garscha, Historiker beim
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, hofft
auf eine Anklageerhebung: "Es würde mich zwar wundern, wenn sie als verhandlungsfähig erachtet wird, aber
ich halte eine Anklageerhebung, quasi als Zeichen, für wichtiger
als das Gerichtsverfahren selbst."
"Wie eine harmlose Großmutter"
Guy Walters über den Moment, als Erna Wallisch ihm im Oktober
2007 die Tür öffnete: "Sie
sieht aus wie eine harmlose Großmutter - tatsächlich wird
sie des Mordes beschuldigt. Und sie soll ihr Verfahren
bekommen."
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