Von WZ Online
Jerusalem. Der als "Dr.
Tod" bekanntgewordene SS-Arzt Aribert Heim ist erstmals der weltweit meistgesuchte
Nazi-Kriegsverbrecher. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem
veröffentlichte am Mittwoch mit seinem Jahresbericht eine
neue Liste der Meistgesuchten. Danach hat der gebürtige Österreicher
Heim den Nazi-Kriegsverbrecher Alois Brunner als Nummer 1
auf der Liste abgelöst.
Zur Begründung hieß es, Brunner sei zwar der wichtigste bisher
nicht bestrafte Nazi-Kriegsverbrecher, es sei aber angesichts
seines hohen Alters unwahrscheinlich, dass er noch am Leben
sei.
Note "Befriedigend"
Österreich wurde für seine Bemühungen, Nazi-Kriegsverbrecher
zu fassen, ein besseres Zeugnis ausgestellt als noch im
Vorjahr. Auf ein "Nicht
genügend" (F) folgt heuer ein "Befriedigend" (C). Deutschland konnte sich bei der Beurteilung nach der angloamerikanischen
Schulnotenskala (A-F) noch stärker verbessern, von F auf
B, die zweitbeste Note. Insgesamt wurde das Engagement
von 40 Staaten bei der Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern
beurteilt.
Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums,
Efraim Zuroff, sagte, zunächst habe man Deutschland wieder
die schlechteste Note geben wollen, ein F. Eine Anklageerhebung
gegen den ehemaligen Gebirgsjäger Josef Scheungraber in München
im Jänner habe aber "alles geändert". Er ist angeklagt, 1944 bei einem Massaker an italienischen Zivilisten teilgenommen
zu haben. Die beste Note (A) erhielten die USA, wo das Office
of Special Investigations (OSI) weiter erfolgreich gegen
Nazi-Kriegsverbrecher vorgehe. Durchgefallen (F) sind unter
anderem Australien, Kroatien, Estland, Ungarn, Lettland,
Litauen, die Ukraine sowie Schweden (das wegen Verjährung
prinzipiell auf die Verfolgung von NS-Mördern verzichtet)
und Syrien.
Tödliche Injektionen
Heim wird beschuldigt, im ehemaligen Konzentrationslager
Mauthausen hunderte Häftlinge mit tödlichen Injektionen
unter anderem direkt ins Herz umgebracht zu haben. Der
93-Jährige hatte nach dem Krieg unter anderem als Frauenarzt
in Baden-Baden praktiziert. 1962 tauchte er vor Vollstreckung
eines Haftbefehls unter. Zuroff vermutet, dass der Gesuchte
mit Hilfe seiner unehelichen Tochter Waltraud in Südamerika
lebt.
An vierter Stelle der meistgesuchten
steht der in Österreich lebende frühere hochrangige Ustascha-Polizist
Milivoj Asner, der für die Ermordung von hunderten Serben,
Juden und Zigeunern im Zweiten Weltkrieg verantwortlich sein
soll. Seine Auslieferung an Kroatien war zunächst daran gescheitert,
dass er einen österreichischen Pass gehabt haben soll, und
später aus medizinischen Gründen.
Bisher war Brunner der meistgesuchte
Nazi-Kriegsverbrecher. Die Wahrscheinlichkeit, den 96-jährigen,
in der ehemaligen österreich-ungarischen Monarchie gebürtigen
Mann lebend zu ergreifen, seien relativ gering, schreibt
das Wiesenthal-Zentrum. Er sei zuletzt im Jahr 2001 lebend
gesehen worden und wurde in Syrien vermutet.
Auslieferung nach Italien
Als wichtige Entwicklung wird im Bericht die Auslieferung
des deutschen Kriegsverbrechers Michael Seifert von Kanada
an Italien gelobt, wo er in Abwesenheit verurteilt worden
war. Zudem verzeichnete das Zentrum einen "erheblichen
Anstieg" neuer Nachforschungen von 63 im vergangenen Jahr auf mehr als 200. Sehr enttäuscht
sei man hingegen darüber, dass in Ungarn nicht gegen Sandor
Kepiro vorgegangen werde, dem eine Teilnahme am Massenmord
an hunderten Zivilisten im serbischen Novi Sad am 23. Jänner
1942 vorgeworfen wird.
Der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser
kritisierte in einer Reaktion auf den Bericht den fehlenden
Willen zur Verfolgung von NS-Tätern in Österreich. "Anders ist nicht zu erklären, warum es in den letzten Jahrzehnten zu keinen Verurteilungen
gekommen ist", sagte er. Die Auslobung eines Geldbetrags für die Ergreifung von NS-Tätern
sei zu wenig. Steinhauser forderte in diesem Zusammenhang
auch die Auslieferung von Milivoj Asner an Kroatien.
wienerzeitung.at
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