16.06.2008 | 19:53 diepresse.com
  Kriegsverbrechen: „Sun“ spürt gesuchten Nazi in Klagenfurt auf
AXEL REISERER UND HELMAR DUMBS
 
 

Laut Gutachten ist Milivoj Asner zu krank für eine Auslieferung. „Sun“ will das anders beobachtet haben.

London/Wien. Das hat wohl nicht ausbleiben können: In die Vorfreude auf das Spiel Österreich-Deutschland platzte am Montag die britische Boulevardzeitung „Sun“ mit der Riesen-Schlagzeile: „Wir haben einen Nazi bei der Euro 2008 gefunden“.

Es handelt sich um den 95-jährigen Milivoj Asner, einen gebürtigen Kroaten, der 1942/43 unter dem faschistischen Ustasa-Regime als Polizeichef in Ostkroatien und Gestapo-Agent maßgeblich an der Verfolgung von Serben, Juden und Roma beteiligt gewesen sein soll – und der seit einiger Zeit in Klagenfurt lebt.

Asner steht auf einer „Top 10“-Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher des Simon-Wiesenthal-Centers an vierter Stelle. Der Direktor des Zentrums, Efraim Zuroff, warf Österreich 2007 vor, Asners Auslieferung an Kroatien zu verhindern, wo ihm ein Prozess droht. Ein Sprecher des Justizministeriums wies dies zurück: Asner sei staatenlos und für einen Prozess laut zwei Gutachten zu krank.

Auch weiter keine Auslieferung
Diese Beurteilung zieht die „Sun“ nun mächtig in Zweifel. Der Bericht über Asner – angeblich nennt er sich kaum verklausuliert Georg Aschner – ist mit zwei großen Farbfotos illustriert, auf denen er keineswegs krank aussieht. Zusammen mit seiner Frau schaut er in einem Kaffeehaus Fußball, danach „schlendert er mit ihr ohne Gehstock problemlos mehr als eine Meile“, weiß der „Sun“-Reporter zu berichten.

Zuroff verlangte in einem Brief an Justizministerin Maria Berger Asners rasche Auslieferung: Die Fotos und Videos zeigten, dass der Gesuchte „in guter gesundheitlicher Verfassung“ sei.

Doch die Enthüllungen des britischen Boulevardblattes dürften nicht viel ändern: „Die geltende Rechtslage ist nach wie vor, dass wir ihn nicht ausliefern können“, sagte Justizministeriums-Sprecher Thomas Geiblinger auf Anfrage der „Presse“. Man habe 2007 extra ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben, um zu zeigen, dass man die Sache nicht auf die leichte Schulter nehme: „Und die Gutachten sind eindeutig.“

Asner, Kampusch und Fritzl
In einem Leitartikel fordert auch die „Sun“ die Auslieferung Asners und schreibt: „Österreich reißt sich ein Bein dafür aus, diesen Mann zu schützen. Dieser Skandal wirft ein schlechtes Licht auf ein Land, das berüchtigt dafür ist, ein Zufluchtsort für alte Kriegsverbrecher zu sein, und wo die Besessenheit der Bürger mit ihrer Privatsphäre Schuld an den schrecklichen Entführungsfällen Josef F. und Natascha Kampusch trägt.“

Kein Thema lieben die „Sun“ – mit einer verkauften Auflage von mehr als drei Millionen Exemplaren die mit Abstand größte britische Tageszeitung – und ihre Leser mehr als die Nazi-Zeit. Vor Fußballspielen gegen England werden deutsche Spieler gerne im Stahlhelm abgebildet („Let's Blitz Fritz“). Österreich ging da lange unbemerkt durch – mit den Fällen Kampusch und Fritzl hat sich das Land zuletzt aber einen traurigen Fixplatz „erobert“.

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