19.06.2008 14:20 Uhr sueddeutsche.de
  Mutmaßlicher NS-Kriegsverbrecher Ašner
" Ich habe ein reines Gewissen"
Von Dorothea Grass
 
 

Milivoj Ašner soll während der von Hitler gestützten Ustascha-Diktatur in Kroatien zum Verbrecher geworden sein - er lebt weiter unbehelligt in Österreich, weil er als dement gilt.
Vor ein paar Tagen kam Milivoj Ašner ganz groß raus. Auf der Titelseite der britischen Boulevard-Zeitung Sun prangte ein Foto von dem Kroaten und seiner Frau, dazu die Schlagzeile: "We find wanted Nazi at Euro 2008" - ein gesuchter NS-Kriegsverbrecher mitten im EM-Trubel auf den Straßen Klagenfurts.

Der mittlerweile 95 Jahre alte Ašner steht auf der Liste des Simon Wiesenthal Zentrums der meistgesuchten Naziverbrecher an vierter Stelle. Der Kroate war während des Zweiten Weltkrieges Polizeichef im slawonischen Požega.

In dieser Funktion soll Ašner an Grausamkeiten beteiligt gewesen sein, weshalb Interpol seit 2001 einen internationalen Haftbefehl gegen ihn erlassen hat. Die Anschuldigung: Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Denn Ašner war ein Rädchen in einem brutalen Regime: Zwischen 1941 und 1945 regierten in seiner Heimat die faschistischen Ustascha. An der Spitze des "Unabhängigen Staates Kroatien" stand Ante Pavelić, ein Mann, der zunächst Mussolini, dann Hitler nacheiferte.


Vasallenstaat von Hitlers Gnaden
Der Vasallenstaat von Nazi Gnaden strukturierte sich nach dem Führerprinzip des nationalsozialistischen Deutschlands, ließ auch Konzentrationslager errichten. Wie im "Reich" wurden Rassengesetze erlassen - Grundlage für einen mörderischen Furor, dem bald Hunderttausende - zumeist Serben, Juden, Sinti und Roma - zum Opfer fielen.

Die Sun will inzwischen auch einen Zeitzeugen gefunden haben, der von Milivoj Ašners Verhalten in den grausamen Jahren berichtet. Dusan Jasenovic, ein 88-jähriger Serbe, sagte dem Blatt, er sei sechs Monate lang unter Polizeichef Ašner im Gefängnis gequält worden - wie viele andere auch.

Das heutige Kroatien will Ašner den Prozess machen. Die Sache stockt, weil Ašner im österreichischen Klagenfurt lebt. Und daran wird sich wohl nichts ändern. Denn Österreich weigert sich, Ašner auszuliefern. Begründung: ein ärztliches Attest, das ihm eine schwere Demenz bescheinigt - ein juristisches Verfahren sei ihn nicht zuzumuten.

Genau dies zweifelt der Sun-Bericht an, nach dem Motto: Wer munter auf der EM-Fanmeile flaniert, und später noch ein Interview gibt, ist auch verhandlungsfähig. Ašner selbst wird in dem Blatt mit den Worten zitiert, er würde vor "jedem Gericht erscheinen" - schließlich seien die Vorwürfe unwahr und er habe er nichts zu befürchten.

Ein Schritt, den Efraim Zuroff vehement einfordert. Der Leiter des Jerusalemer Simon Wiesenthal Zentrums sagt im Gespräch mit sueddeutsche.de, Ašner habe gewusst, was er dem Sun-Reporter sage. "Dann soll er die Suppe auch auslöffeln!"
Seit Jahren versucht der israelische Historiker den Ustascha-Mann vor Gericht zu bringen. Ein kroatischer Amateurhistoriker hatte Zuroff ein Dossier mit Dokumenten über die mutmaßlichen Verbrechen Milivoj Ašners zukommen lassen. Der strengte beim kroatischen Staat 2004 ein Verfahren gegen den Ex-Schergen an. Zuroff: "Zwei Tage, nachdem ich bei der kroatischen Justiz die Eröffnung des Verfahrens erreicht hatte, war er weg."

Wochen später spürte Zuroffs Team Ašner auf - in Klagenfurt. Für Zuroff begannen lange Verhandlungen mit Kroatien und der österreichischen Justiz, die in einen Auslieferungsantrag Kroatiens mündeten.

Ašner besitzt laut Behördenangaben nur die kroatische, nicht aber die Staatsangehörigkeit des Alpenlandes, die ihn vor einer Auslieferung bewahren würde. Die österreichische Justiz prüfte den Fall und kam nach Erstellung eines medizinischen Gutachtens zu dem Schluss, dass Ašner nicht ausgeliefert werden kann, da er aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht vernehmungsfähig sei.

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