Milivoj Ašner soll während der von Hitler gestützten Ustascha-Diktatur
in Kroatien zum Verbrecher geworden sein - er lebt weiter
unbehelligt in Österreich, weil er als dement gilt.
Vor ein paar Tagen kam Milivoj Ašner
ganz groß raus. Auf der Titelseite der britischen Boulevard-Zeitung
Sun prangte ein Foto von dem Kroaten und seiner Frau, dazu
die Schlagzeile: "We find wanted Nazi at Euro 2008" - ein gesuchter NS-Kriegsverbrecher mitten im EM-Trubel auf den Straßen Klagenfurts.
Der mittlerweile 95 Jahre alte Ašner steht auf der Liste des Simon Wiesenthal
Zentrums der meistgesuchten Naziverbrecher an vierter Stelle.
Der Kroate war während des Zweiten Weltkrieges Polizeichef
im slawonischen Požega.
In dieser Funktion soll Ašner an Grausamkeiten
beteiligt gewesen sein, weshalb Interpol seit 2001 einen
internationalen Haftbefehl gegen ihn erlassen hat. Die Anschuldigung:
Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Denn Ašner war ein Rädchen in einem
brutalen Regime: Zwischen 1941 und 1945 regierten in seiner
Heimat die faschistischen Ustascha. An der Spitze des "Unabhängigen Staates Kroatien" stand Ante Pavelić, ein Mann, der zunächst Mussolini, dann Hitler nacheiferte.
Vasallenstaat von Hitlers Gnaden
Der Vasallenstaat von Nazi Gnaden strukturierte sich nach
dem Führerprinzip des nationalsozialistischen Deutschlands,
ließ auch Konzentrationslager errichten. Wie im "Reich" wurden
Rassengesetze erlassen - Grundlage für einen mörderischen
Furor, dem bald Hunderttausende - zumeist Serben, Juden,
Sinti und Roma - zum Opfer fielen.
Die Sun will inzwischen auch einen Zeitzeugen gefunden haben, der von Milivoj
Ašners Verhalten in den grausamen Jahren berichtet. Dusan
Jasenovic, ein 88-jähriger Serbe, sagte dem Blatt, er sei
sechs Monate lang unter Polizeichef Ašner im Gefängnis gequält
worden - wie viele andere auch.
Das heutige Kroatien will Ašner den Prozess machen. Die Sache stockt, weil Ašner
im österreichischen Klagenfurt lebt. Und daran
wird sich wohl nichts ändern. Denn Österreich
weigert sich, Ašner auszuliefern. Begründung:
ein ärztliches Attest, das ihm eine schwere
Demenz bescheinigt - ein juristisches Verfahren
sei ihn nicht zuzumuten.
Genau dies
zweifelt der Sun-Bericht an, nach dem Motto:
Wer munter auf der EM-Fanmeile flaniert, und
später noch ein Interview gibt, ist auch verhandlungsfähig.
Ašner selbst wird in dem Blatt mit den Worten
zitiert, er würde vor "jedem Gericht erscheinen" - schließlich seien die Vorwürfe unwahr und er habe er nichts zu befürchten.
Ein Schritt,
den Efraim Zuroff vehement einfordert. Der Leiter
des Jerusalemer Simon Wiesenthal Zentrums sagt
im Gespräch mit sueddeutsche.de, Ašner habe
gewusst, was er dem Sun-Reporter sage. "Dann soll er die Suppe auch auslöffeln!"
Seit Jahren
versucht der israelische Historiker den Ustascha-Mann
vor Gericht zu bringen. Ein kroatischer Amateurhistoriker
hatte Zuroff ein Dossier mit Dokumenten über
die mutmaßlichen Verbrechen Milivoj Ašners zukommen
lassen. Der strengte beim kroatischen Staat
2004 ein Verfahren gegen den Ex-Schergen an.
Zuroff: "Zwei Tage, nachdem ich bei der kroatischen Justiz die Eröffnung des Verfahrens
erreicht hatte, war er weg."
Wochen später
spürte Zuroffs Team Ašner auf - in Klagenfurt.
Für Zuroff begannen lange Verhandlungen mit
Kroatien und der österreichischen Justiz, die
in einen Auslieferungsantrag Kroatiens mündeten.
Ašner besitzt
laut Behördenangaben nur die kroatische, nicht
aber die Staatsangehörigkeit des Alpenlandes,
die ihn vor einer Auslieferung bewahren würde.
Die österreichische Justiz prüfte den Fall und
kam nach Erstellung eines medizinischen Gutachtens
zu dem Schluss, dass Ašner nicht ausgeliefert
werden kann, da er aufgrund seines gesundheitlichen
Zustandes nicht vernehmungsfähig sei.
sueddeutsche.de
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