Klagenfurt, 20. Juni 2008
Während 4 Gutachter Ašner die Prozessunfähigkeit bescheinigen,
gibt er Interviews und trinkt. Nun soll ihn ein Einzelrichter
vernehmen.
Die Aufregung um den 95-jährigen Milivoj Ašner, die Nummer
vier auf der Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher,
lässt nicht nach. Von offizieller Seite gilt er als nicht
vernehmungsfähig obwohl er zuletzt während der EURO beim
Feiern in der Klagenfurter Fanzone fotografiert wurde und
schließlich ein Interview gab, in dem er seine Vergangenheit
verteidigte. Die Ehefrau des mutmaßlichen Nazi-Verbrechers,
Edeltraut Ašner, stellte in Interviews klar: „Mein Mann will
und kann das Interview in der Form gar nicht gegeben haben.“
Er leide an schwerer Demenz, berichtet Frau Ašner – und stellt
in Abrede, dass er sich vor Gericht verantworten wolle. Nun
ist aber eine Einvernahme durch einen Einzelrichter möglich,
bei dem ein Sachverständiger anwesend ist, wie der ORF meldete.
Interview
Gegen seine "Prozessunfähigkeit" spricht
ein zweites Interview, das der von Interpol Gesuchte dem
Journalisten Gerhard Tuschla für den ORF-Report gegeben hat.
ÖSTERREICH kontaktierte den Reporter – der von einem „jovial
wirkenden, Whiskey trinkenden alten Herrn“, berichtet, der
einen sehr klaren Eindruck gemacht habe. Tuschla über seinen
Besuch in der einfachen Wohnung der Ašners im dritten Stock,
in der Klagenfurter City gelegen: „Unser Gespräch hat eineinhalb
Stunden gedauert. Er hat jede Frage verstanden, und die Antworten
von ihm waren klar und deutlich.“
„Unschuld beweisen“
Dem Besucher kam der rüstige Pensionist (wie seinem britischen
Vorgänger) keineswegs demenzkrank vor – im Gegenteil: „Ašner
hat mir gegenüber wiederholt, was er schon im ersten Interview
sagte: dass er gesund sei und dass er unschuldig sei“.
Der 95-Jährige, der sich nach dem Gespräch ein Glas Whiskey
gönnte, wiederholte laut Tuschla auch, dass er „bereit
sei, seine Unschuld vor jedem Gericht zu beweisen“.
Will sich doch stellen?
Doch abgesehen davon, meldete sich Ašner nun auch im kroatischen
Fernsehen zu Wort und zeigte damit, dass er sehr wohl noch
Herr seiner Sinne wäre. Er habe ein reines Gewissen, sagte
er in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview mit
dem öffentlich-rechtlichen kroatischen Fernsehen HTV. Er
sei bereit auszusagen, weil er glaube, dass man alle Vorwürfe
gegen ihn fallen lassen würde, "wenn
das Gericht in Ordnung ist", fügte Asner hinzu.
Er habe nur die kroatische Politik
ausgeführt, und "Serben, Juden oder Roma, die loyale Bürger des kroatischen Staates waren, hatten
keine Probleme".
Nazi-Verbrechen
Die Aufregung über sein Auftreten ist in jedem Fall groß.
Ašner war immerhin im Zweiten Weltkrieg Chef der faschistischen
Ustascha-Polizei im kroatischen Požega und steht nun auf
Platz vier der vom Simon-Wiesenthal-Zentrum veröffentlichten
Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher. Die Ustascha-Bewegung
war berüchtigt dafür, vor allem Serben, Juden und Roma
mit Messern, Beilen und Gewehrkolben brutal zu ermorden.
Der damals knapp 30-jährige Ašner soll maßgeblich an Deportationen
und Vertreibungen beteiligt gewesen sein. 1945 flüchtete
er nach Österreich, wo er 1946 die Staatsbürgerschaft erhielt.
Staatsbürgerschaftsfrage
Nicht geklärt werden konnte, ob Asner nach wie vor österreichischer
Staatsbürger sei. Asner kehrte Anfang der 1990er Jahre
- nach dem Zerfall Jugoslawiens - nach Kroatien zurück
und beantragte dort die kroatische Staatsbürgerschaft.
Damit verlor er automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft.
Vor einigen Jahren tauchte er jedoch in Klagenfurt auf
und erklärte, er wolle die kroatische Staatsbürgerschaft
beantragen und die österreichische behalten. Dies sei ihm
gewährt worden, zum damaligen Zeitpunkt habe es keine Veranlassung
für eine Ablehnung gegeben, sagte ein Beamter der Landesregierung.
Justiz lässt prüfen
Helmut Jamnig, Sprecher der Klagenfurter Staatsanwaltschaft,
weist auf vier Gutachten hin, die eine Verhandlungs- und
Vernehmungsfähigkeit des heute 95-jährigen Ašner ausschließen.
In den nächsten zwei Wochen soll aber noch einmal geklärt
werden, ob sich der Gesundheitszustand geändert habe. Der
letzte Stand ist jedoch, dass Asner nach wie vor offiziell "vernehmungsunfähig" ist,
wie die Sicherheitsdirektion noch einmal am Freitag unterstrich.
Gutachter wehrt sich
Der renommierte Gutachter Reinhard Haller, der den Zustand
von Milivoj Ašner erst im April eingehend untersuchte,
ist im Gespräch mit ÖSTERREICH tief gekränkt von den Unterstellungen,
es handle sich um ein „Gefälligkeitsgutachten“. „Aus einem
oberflächlichen Gespräch oder einem Foto werden jetzt Schlüsse
gezogen, für die Fachleute sehr viel Zeit, Mühe und Aufwand
brauchen. Gehen Sie in ein Altersheim mit Demenzkranken.
Zwei Drittel werden noch mobil sein, man wird oberflächlich
ganz ordentlich mit ihnen sprechen können“, so Haller.
Laut Gesetz muss eine Person den Sinn des Verfahrens erkennen,
das Verfahren verfolgen und die Rechte sinnvoll wahrnehmen
können.
Lob von Haider
Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) meint indes: „Er
soll seinen Lebensabend bei uns verbringen dürfen. Er ist
seit Jahren ein Klagenfurter Bürger, der friedlich bei
uns lebt. Das ist eine nette Familie, wir schätzen sie
sehr.“
Nächste Seite: Klagenfurter Staatsanwalt lässt nun erneut prüfen:
ÖSTERREICH: Gibt es nun neue medizinische Untersuchungen
bei Milivoj Ašner?
Helmut Jamnig: Das letzte Gutachten
stammt vom 24. April 2008, ist also nicht einmal zwei Monate
alt. Es wurde jetzt aus Anlass der Berichterstattung ein
Ermittlungsauftrag an die Sicherheitsbehörden gegeben, um
zu erheben und zu ermitteln, ob allenfalls eine deutliche
Erhebung im psychischen und physischen Zustand des Herrn
Ašner eingetreten wäre. Ich rechne damit, dass der Ermittlungsbericht
in den nächsten ein bis zwei Wochen vorliegt.
ÖSTERREICH: Warum gab es bisher keine
Verfahren?
Jamnig: Es hat sich aufgrund von vier
Gutachten, die im Zeitraum von eineinhalb Jahren von Sachverständigen
eingeholt wurden, ergeben, dass er wegen seines physischen
und psychischen Zustandes weder verhandlungs- noch vernehmungsfähig
ist.
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