Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde vergleicht Fall
mit Causa Elsner: "Gibt es in diesem Land zweierlei Maß?"
Wien - Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, hat am
Donnerstag im Zusammenhang mit der Nichtauslieferung des
mutmaßlichen Kriegsverbrechers Georg (Milivoj) Asner an Kroatien
die Frage aufgeworfen, ob in Österreich bei der Verfolgung
von Straftätern mit zweierlei Maß gemessen werde. Muzicant
erinnerte daran, dass Ex-Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner
trotz Herzleidens "mit Gewalt" von Frankreich nach Österreich gebracht worden sei, wo anschließend vier Bypässe
gesetzt werden mussten. Im Fall Asner geschehe nichts, es
dränge sich der Vergleich mit dem NS-Arzt Heinrich Gross
auf, der sich ebenfalls unter Zuhilfenahme von Gutachten
so lange der Justiz entzogen habe, bis es für eine Ahndung
seiner Verbrechen zu spät war, kritisierte Muzicant in einer
Pressekonferenz mit dem Direktor des Simon Wiesenthal Centers
in Jerusalem, Efraim Zuroff, und IKG-Generalsekretär Raimund
Fastenbauer.
"Zweierlei Maß"
Muzicant stellte klar, dass er die
Causa Elsner weder beurteilen, noch kommentieren wolle und
dass er lediglich auf das unterschiedliche Herangehen der
Behörden hinweise. Es müsse die Frage gestellt werden, ob
Österreich eine Verantwortung sehe, gesuchte Kriegsverbrecher
vor Gericht zu bringen und der gerechten Strafe zuzuführen.
Und es müsse in aller Deutlichkeit die Frage gestellt werden: "Gibt es in diesem Land zweierlei Maß?"
Die österreichischen Politiker müssten
sich angesichts der Causa Asner überlegen, ob sie jetzt handeln
oder ob Sie nur "schöne Reden bei Gedenkveranstaltungen halten wollen", sagte Muzicant. Beispielsweise ein Herzleiden sei eindeutig zu diagnostizieren,
die von Asner behauptete Demenz sei jedoch "ein weites Land", das Ergebnis hänge sehr stark vom Gutachter ab.
Zuroff fordert Untersuchung
Muzicant zeigte sich empört über das
Zögern der Republik bei der Pflege jüdischer Friedhöfe. "Die Gräber von Wehrmachtssoldaten und auch von SS-Soldaten werden von der Republik
Österreich gepflegt, die Opfergräber werden nicht gepflegt". Wenn das alles der Wille der Politik sei, dann "soll man den Ton wechseln und auf Gedenkveranstaltungen verzichten".
Zuroff, der am Donnerstag mit Justizministerin
Maria Berger zusammengetroffen war, forderte seinerseits,
dass der in Klagenfurt lebende Asner von internationalen
Experten auf seine Verhandlungsfähigkeit untersucht werde.
Der internationale Umgang mit ehemaligen Kriegsverbrechern
zeige, dass dort, wo der Wille zur Strafverfolgung bestehe,
die Justiz einen Weg finde. In Österreich sehe er diesen
Willen nicht. Der heute 95-jährige Asner sei die Nummer 4
auf der Liste der meistgesuchten Kriegsverbrecher seiner
Organisation, sagte Zuroff. Er sei als lokaler Polizeichef
während des faschistischen kroatischen Ustascha-Regimes dafür
verantwortlich gewesen, dass hunderte Menschen direkt in
den Tod geschickt wurden. "Österreich schützt Milivoj Asner", sagte Zuroff. Er müsse daher seinen Vorwurf wiederholen, dass Österreich für
gesuchte NS-Verbrecher ein Paradies sei.
Fastenbauer zeigte sich unter Hinweis
auf die Familie von Arigona Zogaj empört darüber, dass die
österreichischen Behörden offenbar kein Problem hätten, eine
bestens integrierte Familie des Landes zu verweisen und zu
deportieren. "Eine wirklich anständige Familie ist man bereit abzuschieben. Bei einem gesuchten
Nazi-Kriegsverbrecher aber spricht man von einer netten Familie
- und tut nichts", sagte Fastenbauer in Anspielung auf eine Äußerung des Kärntner Landeshauptmanns
Jörg Haider.
derstandard.at
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