20.06.2011 um 15:24 Uhr kleinezeitung.at
Milivoj Ašner in Kärnten verstorben

Milivoj Ašner, der während des zweiten Weltkrieges für die Verfolgung und Deportation von hunderten Juden, Sinti und Roma verantwortlich gewesen sein soll, ist nun in einem Klagenfurter Pflegeheim verstorben.

Die Nummer 2 auf der Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher ist tot: Der Kroate Milivoj Ašner ist vergangene Woche 98-jährig in einem Klagenfurter Pflegeheim verstorben, wie der Kärntner Caritas-Direktor Viktor Omelko am Montag der APA bestätigte. Die kroatische Justiz hatte ihn im Jahr 2004 wegen der Verfolgung und Deportation hunderter Serben, Juden sowie Sinti und Roma im Zweiten Weltkrieg angeklagt. Österreich verweigerte die 2005 beantragte Auslieferung mit der Begründung, Ašner sei wegen schwerer Demenz nicht verhandlungsfähig.

Während dem bisher meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher, dem Ungarn Sandor Kepiro (97), seit Mai der Prozess in Budapest gemacht wird, konnte Ašner seinen Lebensabend unbehelligt in Kärnten beschließen. Das Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte Österreich deswegen mehrmals vorgeworfen, ein "Paradies für Nazis" zu sein. Ašners nunmehriger Tod spreche der Gerechtigkeit Hohn, kritisierte der Leiter des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, am Montag gegenüber der APA. Der Fall Ašner "bestätigt das völlige Versagen der österreichischen Justizbehörden, sich der Frage der Nazi-Kriegsverbrechen in den vergangenen drei Jahrzehnten angemessen anzunehmen", sagte Zuroff.

Versagen der österreichischen Justiz
Ašners "entscheidende Rolle" und Verantwortung für die Tötung von Hunderten Juden, Serben und Roma in der slawonischen Stadt Pozega sei "völlig klar" gewesen, unterstrich Zuroff. Durch das "fehlerhafte Verhalten" der österreichischen Justiz, die "wohlwollende Ärzte" mit der Erstellung von Gerichtsgutachten betraut habe, sei Ašner der Gerechtigkeit entkommen. Ašner war in mehreren Gutachten für verhandlungsunfähig erklärt worden. Ursprünglich war die Auslieferung unter Verweis auf die angebliche österreichische Staatsbürgerschaft von "Georg Aschner" abgelehnt worden. Diese hatte er allerdings schon Anfang der 1990er Jahre durch die Annahme der kroatischen Staatsbürgerschaft verloren.

Das Leben von Ašner
Ašner wurde am 21. April 1913 im slawonischen Kurort Daruvar geboren. Nach Erkenntnissen des Historikers Alen Budaj wurde er im Mai 1941 Polizeichef der Region Pozega. Am Tag nach seiner Ernennung sei mit der Deportation von Juden begonnen worden, entsprechende Dokumente habe Ašner persönlich unterzeichnet. "Ašner hat die jüdische Gemeinde von Pozega zerstört", fasste Budaj seine Erkenntnisse zusammen. Ašners Ablöse als Polizeichef Anfang 1942 soll erfolgt sein, weil er in die eigene Tasche gewirtschaftet habe. In den letzten Kriegswirren gelang ihm die Flucht nach Österreich, 1946 erhielt er die österreichische Staatsbürgerschaft.

In Interviews hatte er seine Arbeit als Polizeichef von Pozega zugegeben, später ließ er aber über seinen Anwalt mitteilen, er sei lediglich ein "Verwaltungsbeamter" und nie Mitglied einer Polizei-Einheit oder der faschistischen Ustascha-Bewegung gewesen. Die Ustascha errichteten nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Jugoslawien mit Hitlers Duldung einen "Unabhängigen Staat Kroatien" (NDH) und ermordeten Hunderttausende Serben, Juden und Roma.

Fall Ašner sorgte für internationales Aufsehen
Internationales Aufsehen erregte der Fall Ašner im Sommer 2008, als ein Reporter des britischen Boulevardblatts "The Sun" Ašner in Klagenfurt aufspürte. Er sei durch die Fan-Meile der Fußball-Europameisterschaft spaziert und habe einen rüstigen und geistig klaren Eindruck gemacht, berichtete der Journalist. In einem Interview soll sich Ašner sogar zu einer Aussage vor einem kroatischen Gericht bereiterklärt haben. Kritiker sahen darin einen weiteren Beleg für die angebliche Nachlässigkeit der österreichischen Justiz bei der Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechen. Rückendeckung erhielt Ašner vom Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (B) ins Zeug, der von einer "netten Familie" sprach. Ašner sei ein "Klagenfurter Bürger, der friedlich bei uns lebt". "Er soll seinen Lebensabend bei uns verbringen dürfen."

Um der damaligen Kritik die Spitze zu nehmen, zog die österreichische Justiz auch ausländische Gutachter zurate. Das letzte Gutachten über Ašner stammt aus dem Jahr 2009. Damals bestätigte der Leiter der Abteilung für Forensische Psychiatrie am Klinikum München, Norbert Nedopil, die frühere Einschätzung seiner österreichschen Kollegen.

Zuroff nahm das Ableben Ašners zum Anlass, alle Staaten zu "letzten dringenden Anstrengungen" aufzurufen, der noch flüchtigen mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher habhaft zu werden. Die Entscheidung, wer für Ašner in der Liste der zehn meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher aufrückt, werde "in den nächsten Tagen fallen". Laut Zuroff gibt es mehrere Kandidaten. Die Liste sei immer noch "nur die Spitze des Eisbergs". In der im April veröffentlichten Liste war Ašner der einzige Gesuchte mit Österreich-Bezug.

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