Milivoj Ašner, der während des zweiten
Weltkrieges für die Verfolgung und Deportation von hunderten
Juden, Sinti und Roma verantwortlich gewesen sein soll, ist
nun in einem Klagenfurter Pflegeheim verstorben.
Die Nummer 2 auf der Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher ist tot:
Der Kroate Milivoj Ašner ist vergangene Woche 98-jährig in
einem Klagenfurter Pflegeheim verstorben, wie der Kärntner
Caritas-Direktor Viktor Omelko am Montag der APA bestätigte.
Die kroatische Justiz hatte ihn im Jahr 2004 wegen der Verfolgung
und Deportation hunderter Serben, Juden sowie Sinti und Roma
im Zweiten Weltkrieg angeklagt. Österreich verweigerte die
2005 beantragte Auslieferung mit der Begründung, Ašner sei
wegen schwerer Demenz nicht verhandlungsfähig.
Während dem bisher meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher, dem Ungarn Sandor Kepiro
(97), seit Mai der Prozess in Budapest gemacht wird, konnte
Ašner seinen Lebensabend unbehelligt in Kärnten beschließen.
Das Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte Österreich
deswegen mehrmals vorgeworfen, ein "Paradies für Nazis" zu sein. Ašners nunmehriger Tod spreche der Gerechtigkeit Hohn, kritisierte
der Leiter des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, am Montag
gegenüber der APA. Der Fall Ašner "bestätigt das völlige Versagen der österreichischen Justizbehörden, sich der
Frage der Nazi-Kriegsverbrechen in den vergangenen drei Jahrzehnten
angemessen anzunehmen", sagte Zuroff.
Versagen der österreichischen Justiz
Ašners "entscheidende
Rolle" und Verantwortung für die Tötung von Hunderten Juden, Serben und Roma in der
slawonischen Stadt Pozega sei "völlig klar" gewesen, unterstrich Zuroff. Durch das "fehlerhafte Verhalten" der österreichischen Justiz, die "wohlwollende Ärzte" mit der Erstellung von Gerichtsgutachten betraut habe, sei Ašner der Gerechtigkeit
entkommen. Ašner war in mehreren Gutachten für verhandlungsunfähig
erklärt worden. Ursprünglich war die Auslieferung unter Verweis
auf die angebliche österreichische Staatsbürgerschaft von "Georg Aschner" abgelehnt worden. Diese hatte er allerdings schon Anfang der 1990er Jahre durch
die Annahme der kroatischen Staatsbürgerschaft verloren.
Das Leben von Ašner
Ašner wurde am 21. April 1913 im slawonischen Kurort Daruvar
geboren. Nach Erkenntnissen des Historikers Alen Budaj
wurde er im Mai 1941 Polizeichef der Region Pozega. Am
Tag nach seiner Ernennung sei mit der Deportation von Juden
begonnen worden, entsprechende Dokumente habe Ašner persönlich
unterzeichnet. "Ašner
hat die jüdische Gemeinde von Pozega zerstört", fasste Budaj seine Erkenntnisse zusammen. Ašners Ablöse als Polizeichef Anfang
1942 soll erfolgt sein, weil er in die eigene Tasche gewirtschaftet
habe. In den letzten Kriegswirren gelang ihm die Flucht
nach Österreich, 1946 erhielt er die österreichische Staatsbürgerschaft.
In Interviews hatte er seine Arbeit
als Polizeichef von Pozega zugegeben, später ließ er aber
über seinen Anwalt mitteilen, er sei lediglich ein "Verwaltungsbeamter" und nie Mitglied einer Polizei-Einheit oder der faschistischen Ustascha-Bewegung
gewesen. Die Ustascha errichteten nach dem Überfall Nazi-Deutschlands
auf Jugoslawien mit Hitlers Duldung einen "Unabhängigen Staat Kroatien" (NDH) und ermordeten Hunderttausende Serben, Juden und Roma.
Fall Ašner sorgte für internationales
Aufsehen
Internationales Aufsehen erregte der Fall Ašner im Sommer
2008, als ein Reporter des britischen Boulevardblatts "The
Sun" Ašner in Klagenfurt aufspürte. Er sei durch die Fan-Meile der Fußball-Europameisterschaft
spaziert und habe einen rüstigen und geistig klaren Eindruck
gemacht, berichtete der Journalist. In einem Interview soll
sich Ašner sogar zu einer Aussage vor einem kroatischen Gericht
bereiterklärt haben. Kritiker sahen darin einen weiteren
Beleg für die angebliche Nachlässigkeit der österreichischen
Justiz bei der Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechen. Rückendeckung
erhielt Ašner vom Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (B)
ins Zeug, der von einer "netten Familie" sprach. Ašner sei ein "Klagenfurter Bürger, der friedlich bei uns lebt". "Er soll seinen Lebensabend bei uns verbringen dürfen."
Um der damaligen Kritik die Spitze
zu nehmen, zog die österreichische Justiz auch ausländische
Gutachter zurate. Das letzte Gutachten über Ašner stammt
aus dem Jahr 2009. Damals bestätigte der Leiter der Abteilung
für Forensische Psychiatrie am Klinikum München, Norbert
Nedopil, die frühere Einschätzung seiner österreichschen
Kollegen.
Zuroff nahm das Ableben Ašners zum
Anlass, alle Staaten zu "letzten dringenden Anstrengungen" aufzurufen, der noch flüchtigen mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher habhaft zu
werden. Die Entscheidung, wer für Ašner in der Liste der
zehn meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher aufrückt, werde "in den nächsten Tagen fallen". Laut Zuroff gibt es mehrere Kandidaten. Die Liste sei immer noch "nur die Spitze des Eisbergs". In der im April veröffentlichten Liste war Ašner der einzige Gesuchte mit Österreich-Bezug.
kleinezeitung.at
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