Seine Absichten seien patriotisch gewesen, sagte man, und
der Umstand, dass er sein Ziel mit Gewalt verfolgt hatte,
dass es gar zu einem Toten kam, sei bloß ein Unglücksfall
gewesen. Im Streit darüber, was einen Terroristen, seine
Absichten und Methoden ausmacht, verglich man Busic mit Menachem
Begin, Jassir Arafat, Mandela, Che Guevera und Tito.
Als wären diese beiden Ereignisse nicht genug, spaltet
auch noch der Popsänger Marko Perkovic, Spitzname "Thompson" (nach
einem Maschinengewehr), das Land. Die Zuschauer seiner Konzerte
tragen schwarze Kleidung, sie schmücken sich mit Ustascha-Symbolen,
heben ständig ihre Hände zum faschistischen Gruß und
brüllen "Tötet die Serben".
Sollen seine Auftritte, die zu nationalistischem Hass aufhetzen
(was gesetzlich verboten ist), untersagt werden oder nicht?
Vor kurzem wollte Präsident Mesic ein Tennisturnier
in Umag, einem gemächlichen Seebad an der kroatischen
Küste, nicht besuchen, weil Thompson dort auf dem Programm
stand. Ausgerechnet das "Kroatische Helsinki-Kommittee",
eine Menschenrechtsorganisation, verteidigte das Recht des
Sängers, dort aufzutreten. Unter den Bürgermeistern
kroatischer Städte entspann sich eine Debatte. Für
einige ist Thompson nur ein Patriot - für andere ein
Verbreiter faschistischer Werte.
Während die Medien diesen Geschichten viel Aufmerksamkeit
schenken, gibt es keine Diskussion darüber, warum es
in Kroatien überhaupt zu solchen Ereignissen kommt -
fünfzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und fünfzehn
Jahre nachdem das Land unabhängig wurde.
Interessant ist, dass der gemeinsame Nenner dieser drei
Geschichten nicht nur die Rehabilitierung der faschistischen
Ideologie ist, sondern noch etwas anderes: der offensichtliche
Unwille von Behörden wie der Polizei und der Staatsanwaltschaft,
darauf zu reagieren. Aber wie könnten sie auch, wenn
selbst einige Minister Thompsons Konzerte besuchen?
Die Frage, ob Gesetze durchgesetzt werden sollen oder nicht,
ist eigentlich vollkommen absurd, nur in Kroatien nicht.
Hier gibt es zwar auch Gesetze. Doch offensichtlich gelten
sie nicht für jeden.
Es zählt nicht das Verbrechen, sondern die Absicht dahinter
Wenn der Widerstand gegen den Faschismus in der Verfassung
klar und deutlich als eines der Fundamente des neuen kroatischen
Staates definiert ist, wenn es Gesetze gibt, die das Aufhetzen
zu nationalistischem, religiösem und rassistischem Hass
verbieten - wo kann dann das Problem liegen? Das Problem
ist die kroatische Einstellung gegenüber der eigenen
Vergangenheit. Dokumente und Erklärungen sind eine Sache,
die Wirklichkeit ist eine andere.
Kroatien war, vor seiner Unabhängigkeit 1991, nur ein
Mal ein unabhängiger Staat, zwischen 1941 und 1945.
Der "Unabhängige Staat Kroatien" wurde regiert
von Ante Pavelic und seiner Ustascha-Armee. Sie waren Marionetten
der Nationalsozialisten. Als Kroatien unter dem späten
Franjo Tudjman zum zweiten Mal die Unabhängigkeit errang,
kehrte auch der Geist des radikalen Nationalismus zurück.
Und selbst nach Tudjmans Tod im Jahr 1999 scheint er lebendig
zu sein. Trotz aller politischen Reden, die das Wiederaufleben
dieses schändlichen Erbes geißeln, verhalten sich
Polizei und Staatsanwaltschaft passiv.
Die allgemeine Haltung ist, dass Kämpfer für die "nationale
Sache" per Definition keine Kriminellen sein können.
Es zählt nicht das Verbrechen, sondern die Absicht dahinter.
Das ist dieselbe Logik, die aus Kriegsverbrechern wie Mirko
Norac Helden werden lässt.
Auf der anderen Seite werben kroatische Politiker, allen
voran Premierminister Ivo Sanader, lautstark für europäische
Werte und erklären immer wieder, sie seien zu allen
Anstrengungen bereit, wenn es darum gehe, der EU beizutreten.
Aber noch einmal: Es gibt Erklärungen und Worte - und
es gibt die Wirklichkeit.
Die gegen Europa gewendete Verherrlichung von Kriegsverbrechen,
Terrorismus und Faschismus sind zwar offiziell verboten,
werden aber, wenn man sich in der Öffentlichkeit dazu
bekennt, toleriert. Die Europäische Gemeinschaft braucht
indessen kein Kroatien, das nur sein schönes Sommergesicht
zeigt, während es dahinter zweifelhafte Werte versteckt.
sueddeutsche.de
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