12.08.2008 11:48 Uhr sueddeutsche.de
  Heil Vaterland  
 



Seine Absichten seien patriotisch gewesen, sagte man, und der Umstand, dass er sein Ziel mit Gewalt verfolgt hatte, dass es gar zu einem Toten kam, sei bloß ein Unglücksfall gewesen. Im Streit darüber, was einen Terroristen, seine Absichten und Methoden ausmacht, verglich man Busic mit Menachem Begin, Jassir Arafat, Mandela, Che Guevera und Tito.

Als wären diese beiden Ereignisse nicht genug, spaltet auch noch der Popsänger Marko Perkovic, Spitzname "Thompson" (nach einem Maschinengewehr), das Land. Die Zuschauer seiner Konzerte tragen schwarze Kleidung, sie schmücken sich mit Ustascha-Symbolen, heben ständig ihre Hände zum faschistischen Gruß und brüllen "Tötet die Serben".

Sollen seine Auftritte, die zu nationalistischem Hass aufhetzen (was gesetzlich verboten ist), untersagt werden oder nicht? Vor kurzem wollte Präsident Mesic ein Tennisturnier in Umag, einem gemächlichen Seebad an der kroatischen Küste, nicht besuchen, weil Thompson dort auf dem Programm stand. Ausgerechnet das "Kroatische Helsinki-Kommittee", eine Menschenrechtsorganisation, verteidigte das Recht des Sängers, dort aufzutreten. Unter den Bürgermeistern kroatischer Städte entspann sich eine Debatte. Für einige ist Thompson nur ein Patriot - für andere ein Verbreiter faschistischer Werte.

Während die Medien diesen Geschichten viel Aufmerksamkeit schenken, gibt es keine Diskussion darüber, warum es in Kroatien überhaupt zu solchen Ereignissen kommt - fünfzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und fünfzehn Jahre nachdem das Land unabhängig wurde.

Interessant ist, dass der gemeinsame Nenner dieser drei Geschichten nicht nur die Rehabilitierung der faschistischen Ideologie ist, sondern noch etwas anderes: der offensichtliche Unwille von Behörden wie der Polizei und der Staatsanwaltschaft, darauf zu reagieren. Aber wie könnten sie auch, wenn selbst einige Minister Thompsons Konzerte besuchen?

Die Frage, ob Gesetze durchgesetzt werden sollen oder nicht, ist eigentlich vollkommen absurd, nur in Kroatien nicht. Hier gibt es zwar auch Gesetze. Doch offensichtlich gelten sie nicht für jeden.


Es zählt nicht das Verbrechen, sondern die Absicht dahinter

Wenn der Widerstand gegen den Faschismus in der Verfassung klar und deutlich als eines der Fundamente des neuen kroatischen Staates definiert ist, wenn es Gesetze gibt, die das Aufhetzen zu nationalistischem, religiösem und rassistischem Hass verbieten - wo kann dann das Problem liegen? Das Problem ist die kroatische Einstellung gegenüber der eigenen Vergangenheit. Dokumente und Erklärungen sind eine Sache, die Wirklichkeit ist eine andere.

Kroatien war, vor seiner Unabhängigkeit 1991, nur ein Mal ein unabhängiger Staat, zwischen 1941 und 1945. Der "Unabhängige Staat Kroatien" wurde regiert von Ante Pavelic und seiner Ustascha-Armee. Sie waren Marionetten der Nationalsozialisten. Als Kroatien unter dem späten Franjo Tudjman zum zweiten Mal die Unabhängigkeit errang, kehrte auch der Geist des radikalen Nationalismus zurück.

Und selbst nach Tudjmans Tod im Jahr 1999 scheint er lebendig zu sein. Trotz aller politischen Reden, die das Wiederaufleben dieses schändlichen Erbes geißeln, verhalten sich Polizei und Staatsanwaltschaft passiv.

Die allgemeine Haltung ist, dass Kämpfer für die "nationale Sache" per Definition keine Kriminellen sein können. Es zählt nicht das Verbrechen, sondern die Absicht dahinter. Das ist dieselbe Logik, die aus Kriegsverbrechern wie Mirko Norac Helden werden lässt.

Auf der anderen Seite werben kroatische Politiker, allen voran Premierminister Ivo Sanader, lautstark für europäische Werte und erklären immer wieder, sie seien zu allen Anstrengungen bereit, wenn es darum gehe, der EU beizutreten. Aber noch einmal: Es gibt Erklärungen und Worte - und es gibt die Wirklichkeit.

Die gegen Europa gewendete Verherrlichung von Kriegsverbrechen, Terrorismus und Faschismus sind zwar offiziell verboten, werden aber, wenn man sich in der Öffentlichkeit dazu bekennt, toleriert. Die Europäische Gemeinschaft braucht indessen kein Kroatien, das nur sein schönes Sommergesicht zeigt, während es dahinter zweifelhafte Werte versteckt.


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