16.07.2015 kathpress.at
Juden und Orthodoxe planen gemeinsame KZ-Gedenkstätte in Belgrad

Serbischer Patriarch Irinej empfing Direktor des Jerusalemer "Simon Wiesenthal Centers" zu Gesprächen über "Staro Sajmiste Gedächtnis-Zentrum" - KZ lag mitten in Belgrad

Belgrad, 16.07.2015 (KAP) Auf dem Gelände des einstigen NS-Konzentrationslagers Sajmiste in Belgrad soll in Zukunft der jüdischen und serbisch-orthodoxen Opfer gemeinsam gedacht werden. Der serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej empfing am Mittwoch in Belgrad den Direktor des Jerusalemer "Simon Wiesenthal Centers", Efraim Zuroff, zu Gesprächen über die Verwirklichung des "Staro Sajmiste Gedächtnis-Zentrums", berichtete die Wiener Stiftung "Pro Oriente". Zuroff war zuvor bereits mit führenden serbischen Politikern zusammengetroffen.


An den Gesprächen mit dem Patriarchen nahm auch Bischof von Slawonien, Jovan (Culibrk) teil, der das Jasenovac-Komitee der serbisch-orthodoxen Bischofsversammlung leitet. In Jasenovac hatte sich das größte Vernichtungslager des kroatischen faschistischen Satellitenstaates der NS-Zeit befunden.


In Staro Sajmiste - dem einstigen Messegelände von Belgrad am linken Save-Ufer - bestand von Herbst 1941 bis August 1944 ein deutsches KZ. Die Zahl der Lagerinsassen schätzen Historiker auf 40.000, unter ihnen Serben, antifaschistische Kroaten, Juden und Roma. Ein Viertel von ihnen kam ums Leben. Unter den Ermordeten war fast die gesamte damals in Belgrad lebende jüdische Bevölkerung.


Das Messegelände befindet sich im heute Novi Beograd genannten Stadtteil Zemun. Es war erst 1938 mit einer eindrucksvollen futuristischen Architektur errichtet worden und galt als das modernste Europas. Nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien wurde dieser Stadtteil Belgrads dem sogenannten "Unabhängigen Staat Kroatien" (NDH) einverleibt. Die deutsche Militärverwaltung errichtete das KZ am 28. Oktober 1941, wobei die kroatischen faschistischen Behörden darauf bestanden, dass die Deutschen für die Bewachung sorgen müssten, während die "Versorgung" des Lagers von den Behörden der von General Milan Nedic geleiteten "serbischen Regierung der nationalen Rettung" zu stellen sei.


Zunächst wurde ein Großteil der jüdischen Bevölkerung Belgrads in das KZ auf dem Messegelände deportiert. Die Juden Belgrads waren am 8. Dezember 1941 unter heftigen Drohungen aufgerufen worden, sich bei der Polizei zu melden und ihre Haus- und Wohnungsschlüssel auszuhändigen. Später wurden auch viele orthodoxe Serben nach Staro Sajmiste gebracht, die man der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Widerstandsbewegungen verdächtigte.


Mord mittels getarntem Gaswagen


Auf Grund der miserablen Lebensbedingungen starben viele jüdische Deportierte im KZ Sajmiste bald, vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen. Ab 1942 setzten die Deutschen einen als Polizeifahrzeug getarnten Gaswagen ein, mit dem sie die Menschen auf der Fahrt durch das Belgrader Stadtzentrum ermordeten, indem die Abgase in das Wageninnere umgeleitet wurden.


Nach 1945 verfiel das einstige Messegelände zunehmend. Mit dem Bau des "Staro Sajmiste Gedächtnis-Zentrums" soll das düstere Kapitel des KZ wieder ins Bewusstsein gerufen werden; vor allem soll auch daran erinnert werden, dass in Staro Sajmiste fast die ganze jüdische Bevölkerung Belgrads ermordet wurde, was auf dem bisherigen Gedenkstein nicht zum Ausdruck kam.


Sajmiste stellte unter den NS-Konzentrationslagern eine Ausnahme dar. Die Täter versuchten zumeist, die Mordstätten an entlegenen und schwer einsehbaren Stellen zu errichten, das einstige Messegelände aber liegt mitten im Stadtgebiet Belgrads.

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