8.09.2005
Costa Blanca Rundschau
  Land des Schweigens
Von Holger Weber
 
 

Seit 43 Jahren spielt der ehemalige KZ-Arzt Aribert Heim mit seinen Verfolgern Katz und Maus. Nun scheinen die Ermittler ihm dicht auf die Fersen gerückt zu sein. Die Spuren führen nach Spanien, und es ist sogar möglich, dass sich der Mann, der hunderte von Menschen auf sadistische Weise tötete, an der Costa Blanca aufhält.

Erschütternd sind nicht nur die Taten des mittlerweile 91-Jährigen. Auch die Umstände, die es ermöglichten, dass sich der KZ-Arzt bis heute nicht für seine Verbrechen verantworten musste, sind nur schwer fassbar. Über Jahrzehnte durften sich NS-Verbrecher unter der Herrschaft von Francisco Franco auf der sicheren Seite fühlen. Quasi als Dankeschön für die tatkräftige Unterstützung im Spanischen Bürgerkrieg.

In dem Land, in dem erst heute, rund 30 Jahre nach dem Tod des Diktators, damit begonnen wird, die eigene faschistische Vergangenheit aufzuarbeiten, wurde auch noch geschwiegen, als Spanien längst demokratisch geworden war. Dies belegt die Tatsache, dass bis in die Amtszeit des sozialistischen Regierungschefs Felipe González die so genannte schwarze Liste unter Verschluss gehalten wurde, die mehr als hundert NS-Verbrecher enthielt, die nach dem Krieg auf der Iberischen Halbinsel untergetaucht waren. Die Nazis, von denen es viele zu neuem Wohlstand in ihrer neuen Heimat brachten, konnten sich auch nach dem Tod des Caudillo sicher fühlen. Denn die Verfolgung deutscher Kriegsverbrecher hätte zwangsläufig einen Blick auf die eigene düstere Epoche der spanischen Geschichte nach sich gezogen. Dies wussten viele Funktionäre, die den Sprung von der Diktatur in die Demokratie schadlos überstanden hatten, aus gutem Grund zu verhindern.

Nun scheint sich ein Zeitenwechsel zu vollziehen. Aus der Generation der Täter und Beschützer leben nur noch wenige. Der Schutzmantel wird dünner für die letzten NS- und Kriegsverbrecher wie Aribert Heim. Doch selbst, wenn man den KZ-Arzt noch finden würde, bliebe ein bitterer Nachgeschmack. Denn viele der Kriegs- und NS-Verbrecher hätten schon vor Jahren zur Verantwortung gezogen werde können - wenn man nur gewollt hätte.