Eines ist anders
im Aachener Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann Heinrich
Boere als in anderen derartigen Gerichtsverfahren: Der Angeklagte
hat die ihm zur Last gelegten Taten gestanden. Detailliert
schilderte der heute 88-Jährige, wie er 1944 an Haustüren
klingelte, um holländische Zivilisten zu erschießen – im
Auftrag seiner Vorgesetzten, die ihre niederträchtigen
Geheimaufträge zum Mord als Vergeltungsmaßnahme
deklarierten.
Boere beruft sich darauf, dass er damals keine andere Wahl
hatte, dass er Gehorsam leisten musste. Wie seine individuelle
Schuld zu bewerten ist, darüber muss jetzt das Gericht
befinden. Die Bedeutung des Verfahrens liegt woanders. Die
großen Verantwortlichen der zwischen 1933 und 1945
im deutschen Namen begangenen Verbrechen sind längst
tot. Heute finden sich nur noch ihre Handlanger aus der zweiten
oder dritten Reihe vor den Gerichten wieder, die Boeres oder
Demjanjuks. Kleine Lichter, zwar, aber ohne sie wäre
die Durchführung der Nazi-Untaten nicht möglich
gewesen. Die Menschen darüber zu informieren, darin
liegt die eigenliche Aufgabe der Prozesse gegen die greisen
Täter. Ob sie eine mögliche Strafe dann wirklich
noch verbüßen müssen, ist dagegen zweitrangig.
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