02. Dezember 2009 news-adhoc.com
Zentralrat der Juden kritisiert Vorgehen der Justiz bei NS-Prozessen

Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden, Stephan Kramer, wirft der deutschen Justiz vor, mit dem Münchner Kriegsverbrecher-Prozess gegen John Demjanjuk «ihre Hände exemplarisch reinwaschen» zu wollen. Dies sei zwar «menschlich nachvollziehbar, aber denkbar ungeschickt», sagte Kramer am Mittwoch der Nachrichtenagentur ddp. Der «rein auf Indizien basierende Prozess» könne «nur zu einem Fiasko führen».

Kramer fügte hinzu: «Die ständige Rechtsprechung lässt in entscheidenden Fragen keine Spielräume für das Gericht zu, weder was die Verhandlungsfähigkeit angeht noch die Schuldfrage.» Sollte die Justiz aber plötzlich einen Kurswechsel in diesen Grundsatzfragen vornehmen, um «alte Fehler nicht zu wiederholen», werde sie sich «dem berechtigten Vorwurf der Doppelstandards nicht entziehen können».

Kramer kritisierte mit Blick auf die Rolle der deutschen Nachkriegsjustiz bei der Aufarbeitung der NS-Diktatur: «Deutsche Nazis wurden freigesprochen, ausländische Kollaborateure werden verurteilt oder anders ausgedrückt: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.» Dies sei «auch ein Armutszeugnis für die deutsche Politik». In der Vergangenheit seien «deutsche Täter geschont wurden, weil das politisch so gewollt war».

Kramer fügte hinzu: «Am Beispiel des Demjanjuk-Prozesses wird heute sichtbar, wie uns die Vergangenheit in Form der ständigen Rechtsprechung der deutschen Nachkriegsjustiz immer wieder einholt und dass von Gerechtigkeit dabei keine Rede sein kann.» Statt alle rechtsstaatlichen Mittel auszuschöpfen, um die Täter zu bestrafen, seien «in erster Linie mildernde Umstände und Entlastungsgründe konstruiert und Verfahren eingestellt oder gar nicht erst eröffnet» worden.

Kramer kritisierte: «Der Schutz und die Rehabilitation der Täter stand stets vor der Gerechtigkeit für die Opfer.» Er betonte zugleich, der Demjanjuk-Prozess sei «in vielerlei Hinsicht richtig und wichtig». So gerate dadurch «die Tatbeteiligung von tausenden von Kollaborateuren in Osteuropa am nationalsozialistischen Massenmord zum ersten Mal richtig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit».

Außerdem schaffe das Gerichtsverfahren «Vertrauen darauf, dass am Ende die Gerechtigkeit doch siegen wird und die Täter ihren Strafen nicht entgehen». Für die Überlebenden selbst und die Hinterbliebenen der ermordeten Opfer gehe es «um Anerkennung, Würdigung und Anteilnahme statt jahrzehntelangem Verdrängen und Schweigen».

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