Der Generalsekretär
des Zentralrates der Juden, Stephan Kramer, wirft der deutschen
Justiz vor, mit dem Münchner Kriegsverbrecher-Prozess
gegen John Demjanjuk «ihre Hände exemplarisch
reinwaschen» zu wollen. Dies sei zwar «menschlich
nachvollziehbar, aber denkbar ungeschickt», sagte Kramer
am Mittwoch der Nachrichtenagentur ddp. Der «rein auf
Indizien basierende Prozess» könne «nur
zu einem Fiasko führen».
Kramer fügte hinzu: «Die ständige Rechtsprechung
lässt in entscheidenden Fragen keine Spielräume
für das Gericht zu, weder was die Verhandlungsfähigkeit
angeht noch die Schuldfrage.» Sollte die Justiz aber
plötzlich einen Kurswechsel in diesen Grundsatzfragen
vornehmen, um «alte Fehler nicht zu wiederholen»,
werde sie sich «dem berechtigten Vorwurf der Doppelstandards
nicht entziehen können».
Kramer kritisierte mit Blick auf die Rolle der deutschen
Nachkriegsjustiz bei der Aufarbeitung der NS-Diktatur: «Deutsche
Nazis wurden freigesprochen, ausländische Kollaborateure
werden verurteilt oder anders ausgedrückt: Die Kleinen
hängt man, die Großen lässt man laufen.» Dies
sei «auch ein Armutszeugnis für die deutsche Politik».
In der Vergangenheit seien «deutsche Täter geschont
wurden, weil das politisch so gewollt war».
Kramer fügte hinzu: «Am Beispiel des Demjanjuk-Prozesses
wird heute sichtbar, wie uns die Vergangenheit in Form der
ständigen Rechtsprechung der deutschen Nachkriegsjustiz
immer wieder einholt und dass von Gerechtigkeit dabei keine
Rede sein kann.» Statt alle rechtsstaatlichen Mittel
auszuschöpfen, um die Täter zu bestrafen, seien «in
erster Linie mildernde Umstände und Entlastungsgründe
konstruiert und Verfahren eingestellt oder gar nicht erst
eröffnet» worden.
Kramer kritisierte: «Der Schutz und die Rehabilitation
der Täter stand stets vor der Gerechtigkeit für
die Opfer.» Er betonte zugleich, der Demjanjuk-Prozess
sei «in vielerlei Hinsicht richtig und wichtig».
So gerate dadurch «die Tatbeteiligung von tausenden
von Kollaborateuren in Osteuropa am nationalsozialistischen
Massenmord zum ersten Mal richtig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit».
Außerdem schaffe das Gerichtsverfahren «Vertrauen
darauf, dass am Ende die Gerechtigkeit doch siegen wird und
die Täter ihren Strafen nicht entgehen». Für
die Überlebenden selbst und die Hinterbliebenen der
ermordeten Opfer gehe es «um Anerkennung, Würdigung
und Anteilnahme statt jahrzehntelangem Verdrängen und
Schweigen».
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