12.09.2019 welt.de
Prozess gegen Ex-SS-Wachmann ab 17. Oktober

Anklage gegen 92 Jahre alten Hamburger wegen Beihilfe zum Mord in 5320 Fällen

Karl M. war 1944 an einem Massaker im nordfranz?sischen Ort Ascq beteiligt, bei dem Soldaten der 12. SS-Panzerdivison insgesamt 89 unschuldige Menschen umbrachten. Nach dem Krieg hatte ihn ein franz?sisches Gericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Die Strafe ist inzwischen verj?hrt und kann nicht mehr vollstreckt werden.

er mittlerweile 92 Jahre alte Hamburger Bruno D. muss sich vom 17. Oktober an vor der Jugendschwurgerichtskammer der Großen Strafkammer 17 am Hamburger Landgericht für Taten verantworten, die er während des Zweiten Weltkriegs als SS-Wachmann begangen haben soll. Angeklagt wird er wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord in 5320 „tateinheitlich zusammentreffenden“ Fällen. Zunächst wurden elf Verhandlungstermine angesetzt, der letzte aus dieser Reihe findet eine Woche vor Heiligabend am 17. Dezember statt. Wegen des hohen Alters des Angeklagten dürfen die einzelnen Prozesstage nicht länger als zwei Stunden dauern.

Laut Anklage war der damals 17 beziehungsweise 18 Jahre alte Angeklagte, der wegen seines jungen Alters während der vorgeworfenen Taten vor der Jugendgerichtskammer stehen wird, von August 1944 bis April 1945 als SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig eingesetzt. Durch die Wachtätigkeit soll der Angeklagte wissentlich die heimtückische und grausame Tötung von Häftlingen unterstützt haben (WELT berichtete). Zu den Aufgaben des Angeklagten im Rahmen des Wachdienstes soll es gehört haben, die Flucht, Revolte und Befreiung von Häftlingen zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm deshalb vor, als „Rädchen der Mordmaschinerie“ in Kenntnis aller Gesamtumstände dazu beigetragen zu haben, dass der Tötungsbefehl umgesetzt werden konnte. Laut Aussagen von Vernehmungen, die WELT vorliegen, habe sich Bruno D. an einzelne Tötungen erinnert. „Ich hab da mal von Ferne diese Schreie gehört“, sagte er zu den Morden in der Gaskammer. Insgesamt ermordeten die Deutschen etwa 65.000 Menschen in Stutthof, etwa 70 Prozent davon waren Juden. Vom 9. August 1944 bis zum 26. April 1945, dem Tag der Evakuierung des Lagers, versah D. dort seinen Dienst. Der frühere Wachmann gab an, Hunderte Leichen gesehen zu haben. Konkrete eigene Taten werden dem Mann jedoch von der Staatsanwaltschaft in der 79 Seiten umfassenden Anklageschrift nicht vorgeworfen.

Der Prozess könnte schon aufgrund des heutigen Alters möglicher Täter einer der letzten sein, die die Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Diktatur aufarbeiten.

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