Donnerstag, 20. Februar 2014 / 17:12 h nachrichten.ch
Razzia bei mutmaßlichen Nazi-Schergen

Stuttgart - Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Nazi-Jäger haben knapp 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in mehreren deutschen Bundesländern die Wohnungen von mutmasslichen früheren SS-Mitgliedern im Konzentrationslager Auschwitz durchsucht und in Baden-Württemberg drei von ihnen verhaftet.

Die drei Männer im Alter von 88 bis 94 Jahren sitzen in Untersuchungshaft, wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt am Donnerstag mitteilten. Sie werden verdächtigt, bei ihrem damaligen Einsatz an der Tötung deportierter Menschen beteiligt gewesen zu sein.

Die Polizei hatte bereits am Mittwoch im Südwesten, in Hessen und Nordrhein-Westfalen die Wohnungen von elf mutmasslichen früheren NS-Schergen im Vernichtungslager Auschwitz durchsucht. In den Wohnungen seien diverse Unterlagen sichergestellt worden.

Die Ermittlungen gehen auf die Recherchen der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg zurück, erklärte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Die Zentralstelle hatte im November entsprechende Fälle an Anklagebehörden in mehreren Bundesländern abgegeben.

Wiesenthal-Zentrum erfreut

Efraim Zuroff, der Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem begrüsste die Aktion.

«Das hohe Alter der Verbrecher darf eine strafrechtliche Verfolgung nicht verhindern», sagte Zuroff am Donnerstag.

Die Verbrecher hätten kein Mitleid verdient. «Sie hatten kein Mitleid mit ihren Opfern, die damals oft noch älter waren als sie heute selbst.» Zuroff betonte, er wolle keine Rache, sondern Gerechtigkeit.

Neue Rechtslage

In Auschwitz, dem grössten der nationalsozialistischen Todeslager, wurden mindestens 1,1 Millionen meist jüdische Häftlinge ermordet. Bisher blieben viele mutmassliche Täter straffrei, weil der deutsche Bundesgerichtshof 1969 im Fall Auschwitz festgelegt hatte, dass für eine Verurteilung der Wächter wegen Beihilfe zum Mord die individuelle Schuld nachgewiesen werden musste.

Dies war vielfach nicht möglich. In Vorermittlungen für den Prozess gegen den Aufseher im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, definierte aber die NS-Fahndungsstelle die Beihilfe zum Mord im KZ neu. Dem widersprach das zuständige Landgericht München nicht.

Nach Auffassung der Zentralstelle ist somit jeder belangbar, der in einem KZ dazu beigetragen hat, dass die Tötungsmaschinerie funktionierte - egal ob direkt als Aufseher bei den Gaskammern oder indirekt etwa als Koch. 2011 hatte das Landgericht München Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28'000 Menschen schuldig gesprochen.

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