31. Dezember 2015 n-tv.de
Nazi-Jäger sehen kein Ende der Ermittlungen

Siebzig Jahre sind seit dem Ende des Nationalsozialismus vergangen. Die Verbrechen der Zeit werden jedoch nie vergessen werden. Noch immer sind Ermittler auf der Suche nach den Tätern - mit Erfolg.

Mehr als 70 Jahre nach Kriegsende sucht ein Ermittlerteam aus Ludwigsburg weiter in der ganzen Welt nach Hinweisen auf NS-Verbrechen. Ein Ende der Ermittlungen sei trotz der langen Zeitspanne nicht abzusehen, sagte der neue Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Jens Rommel. "Alle Fälle erledigt werden wir nie haben", betonte er. "Wir kennen noch nicht einmal alle Verbrechen - und schon gar nicht kennen wir alle Verbrecher."

Der Leitende Oberstaatsanwalt Rommel steht offiziell seit Anfang Dezember an der Spitze der Behörde in Ludwigsburg. Wenige Monate zuvor hatten die Justizminister der Länder beschlossen, dass die 1958 eingerichtete Zentrale Stelle ihre Arbeit fortsetzen soll. Die Minister müssten auch entscheiden, wann die Ermittlungsarbeit beendet und aus der Einrichtung ein Dokumentations-, Forschungs- und Informationszentrum werden soll, sagte Rommel. "Welche Jahreszahl die Minister ansetzen, das vermag ich nicht zu sagen." Irgendwann werde aber der Zeitpunkt gekommen sein, an dem nicht mehr realistisch damit zu rechnen sei, dass mögliche Beschuldigte noch leben.

Suche nach verhandlungsfähigen Beschuldigten

Ein lebender und verhandlungsfähiger Beschuldigter sei aber Voraussetzung für ein Strafverfahren. "Und an dieser Voraussetzung werden irgendwann die Verfahren insgesamt scheitern", sagte Rommel. Erst im Juli hatte das Landgericht Lüneburg den 94-jährigen Ex-SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz zu vier Jahren Haft verurteilt. Ein weiterer ehemaliger SS-Mann muss sich kommendes Jahr wegen Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen vor dem Landgericht Detmold verantworten.

Der Fall Gröning ist für die Zentrale Stelle vor allem deshalb besonders relevant, weil der Bundesgerichtshof (BGH) noch über die Revision zu entscheiden hat - und damit grundsätzlich über die Bewertung des Tatbestands der Beihilfe in diesem Zusammenhang, die "arbeitsteilige Begehensweise in Konzentrationslagern", wie Rommel erläutert. "Der Gehilfe muss nicht mit einem konkreten Beitrag eine konkrete Mordtat, Haupttat, nachweisbar gefördert haben, sondern die Beteiligung an dem Gesamtsystem, das auf Vernichtung ausgerichtet ist, reicht aus."

So hatte es schon das Landgericht München 2011 bei der Verurteilung des KZ-Aufsehers John Demjanjukgesehen. Der starb allerdings, bevor der BGH über seine Revision entscheiden konnte. Was die Karlsruher Richter sagen, dürfte die Arbeit der Ermittler der Zentralen Stelle entscheidend prägen. Die genannten Fälle hätten jedenfalls schon gezeigt, dass es durchaus noch möglich sei, auf verhandlungsfähige Beschuldigte zu treffen, sagte Rommel. "Und das ist natürlich auch unser Anspruch, insbesondere für die nächsten Jahre."

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