Eine Ära geht
zu Ende: In München beginnt einer der letzten großen
NS-Prozesse. Mehr als 10.000 Urteile sind gefallen, doch
das Bild, zu dem sich die Verfahren fügen, wirkt kläglich.
Ein Greis steht
vor Gericht, 64 Jahre nach den abscheulichen Verbrechen,
derer er angeklagt ist. Fast ein Menschenalter sind die Taten
her, für die er sich verantworten muss. Taten, welche
die meisten Deutschen, wenn überhaupt, nur aus Fernsehberichten
kennen, die den Jüngeren unendlich fern vom eigenen
Leben erscheinen und die es doch nicht sind: Sie prägen
die Gesellschaft bis heute.
An diesem
Montag
beginnt
in München
der Prozess
gegen
den 90-jährigen
Josef
S., der
im Juni
1944 seiner
Gebirgs-Pionier-Kompanie
in Falzano
den Massenmord
an italienischen
Zivilisten
befohlen
haben
soll.
Falzano
gibt es
nicht
mehr,
S.blieb
Jahrzehnte
unbehelligt.
Es ist
vielleicht
- wahrscheinlich
sogar
- das
letzte
größere
Verfahren,
in dem
ein Angeklagter
wegen
Verbrechen
aus der
NS-Zeit
vor Gericht
steht,
das letzte
von Tausenden
seit 1945.
Eine Ära
geht zu
Ende,
die Ära
der Zeitzeugen,
der Opfer
wie der
Täter
und damit
auch des
Versuchs,
dem Zivilisationsbruch
so etwas
wie Recht
und Sühne
folgen
zu lassen.
Mehr als
10.000
Urteile
gegen
NS-Täter
sind in
Westdeutschland
gefallen,
und so
beeindruckend
die Zahl
zunächst
wirkt,
so kläglich
ist das
Bild,
zu dem
sich die
Prozesse
insgesamt
fügen.
Skandalöse
Freisprüche,
niedrige
Strafen,
schleppende
Ermittlungen
Im Jahr
1946 schon
lief in
Berliner
Kinos
Wolfgang
Staudtes
Film "Die
Mörder
sind unter
uns".
Die Mörder
waren
in der
Mitte
der Gesellschaft,
doch belangt
wurden
nur wenige
von ihnen.
Es gab
skandalöse
Freisprüche,
niedrige
Strafen,
schleppende
Ermittlungen,
und noch
heute
kann man
sich fragen,
warum
Wehrmachtsverbrechen
in Italien
fast nie
verfolgt
wurden.
Entgegen
einem
verbreiteten
antifaschistischen
Klischee
hat die
DDR übrigens
nach 1950
fast völlig
auf die
Verfolgung
von NS-Verbrechen
verzichtet.
Auschwitz
galt als
alleiniges
Problem
der Westdeutschen.
Deren
Richter
hatten
lange
einen
schlechten
Ruf.
Der
Publizist
Günther
Schwarberg
hat
die
bundesdeutsche
Justiz
als "die
Mörderwaschmaschine" beschimpft.
Das
Problem
waren
aber
weniger
die
Richter,
auch
wenn
viele
alte
Kameraden
unter
ihnen
waren,
die
gestern
noch
keine
höhere
Instanz
gekannt
hatten
als
den "Führer".
Das Problem
war bis
in die
siebziger
Jahre
hinein
die Mehrheit
der Gesellschaft
selbst
und ihre
Weigerung,
sich der
Vergangenheit
und dem
eigenen
Versagen
zu stellen.
Es gab
Männer
wie den
Generalstaatsanwalt
Fritz
Bauer,
welche
die Täter
von Auschwitz
vor Gericht
brachten;
und es
gab den
Bundestag,
der anfangs
bei den
Alliierten
um Gnade
für
die Mörder
der SS-Einsatzgruppen
bettelte,
der so
viele
Amnestien
beschloss
und so
viele
Verjährungen,
etwa für
die Schreibtischtäter,
dass für
Anklagen
nur das
Delikt
des nackten
Mordes übrig
blieb.
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