20.10.2008

burgenland.orf.at
  Student kommt Nazi-Verbrecher auf die Spur  
 

Ein Student der Uni Wien ist einem mutmaßlichen Nazi-Verbrecher auf die Spur gekommen. Der 89-Jährige lebt in Deutschland und soll 1945 an dem Massaker an 60 jüdischen Zwangsarbeitern in Deutsch Schützen beteiligt gewesen sein.


Massenmord in den letzten Kriegstagen
In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges kam es in etlichen burgenländischen Orten zu Massakern an jüdischen Zwangsarbeitern. In einem Wald bei Deutsch Schützen wurden im März 1945 rund 60 Juden ermordet.

Fünfzig Jahre später, 1995, wurde das Grab gefunden. Heute erinnert eine Gedenkstätte an den Mord. Jetzt, 63 Jahre nach dem Mord, wird einer der mutmaßlichen Täter zur Rechenschaft gezogen.

Mitglied der Waffen-SS
Der Mann stammt aus Deutschland, war Mitglied der Waffen-SS und lebt heute 89-jährig im Ruhrgebiet. Auf die Spur kam ihm ein Student der Politikwissenschaft an der Universität Wien.


Name seit 1946 bekannt
Andreas Forster stieß im Zuge eines Forschungspraktikums auf den Namen des Mannes.

Der Waffen-SS-Mann sei in Gerichtsakten namentlich vermerkt gewesen, sein Name sei zwar gelegentlich falsch geschrieben worden, aber seit 1946 bekannt, sagte Forster.

Forster stellte dann eine Anfrage an das Bundesarchiv in Berlin. Dort habe es Akten über den Mann gegeben, so Forster.


Interview mit dem Verdächtigen
Der Student informierte seinen Professor: Walter Manoschek vom Institut für Staatswissenschaft der Uni Wien flog daraufhin nach Deutschland, läutete ohne Voranmeldung bei dem Verdächtigen und bat ihn um ein Interview für ein Forschungsprojekt.

Walter Manoschek dokumentierte das mehrere Stunden dauernde Gespräch mit einer Kamera.

89-Jähriger leugnet jetzt
Der 89-Jährige habe zu Beginn des Interviews erklärt, er könne sich an mehrere Stunden - nämlich genau an die Phase der Erschießungen - nicht erinnern, sagte Manoschek.

Der Wissenschaftler konfrontierte den Deutschen dann mit Zeugenaussagen aus einem Prozess, die den Mann schwer belasten. Daraufhin sagte der 89-Jährige laut Manoschek, er könne sich die Zeugenaussagen nicht erklären, aber sie könnten auch stimmen, er könne sich nicht erinnern.

Das habe sich zum Schluss aber wieder geändert, so Manoschek. Jetzt leugne der 89-Jährige und sage, er habe nie unschuldige, wehrlose Menschen erschossen.


Staatsanwaltschaft ermittelt
Gegen den 89-Jährigen gibt es mittlerweile ein Ermittlungsverfahren in Deutschland. Manoschek und Forster wollen ihr Material in Form eines Dokumentarfilms veröffentlichen.

burgenland.ORF.at; 16.10.08
Der Mord an rund 200 jüdischen Zwangsarbeitern in Rechnitz 1945 war in der vergangenen Woche Thema eines Symposiums in Eisenstadt. Mit dabei war der umstrittene Autor David Litchfield. Fest steht: Die Suche nach dem Massengrab geht weiter.

burgenland.orf.at