Ein Student der
Uni Wien ist einem mutmaßlichen Nazi-Verbrecher auf
die Spur gekommen. Der 89-Jährige lebt in Deutschland
und soll 1945 an dem Massaker an 60 jüdischen Zwangsarbeitern
in Deutsch Schützen beteiligt gewesen sein.
Massenmord in den letzten Kriegstagen
In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges kam es in etlichen burgenländischen
Orten zu Massakern an jüdischen Zwangsarbeitern. In einem Wald bei Deutsch
Schützen wurden im März 1945 rund 60 Juden ermordet.
Fünfzig Jahre später, 1995, wurde das Grab gefunden.
Heute erinnert eine Gedenkstätte an den Mord. Jetzt,
63 Jahre nach dem Mord, wird einer der mutmaßlichen
Täter zur Rechenschaft gezogen.
Mitglied der Waffen-SS
Der Mann stammt aus Deutschland, war Mitglied der Waffen-SS
und lebt heute 89-jährig im Ruhrgebiet. Auf die Spur
kam ihm ein Student der Politikwissenschaft an der Universität
Wien.
Name seit 1946 bekannt
Andreas Forster stieß im Zuge eines Forschungspraktikums auf den Namen
des Mannes.
Der Waffen-SS-Mann sei in Gerichtsakten namentlich vermerkt
gewesen, sein Name sei zwar gelegentlich falsch geschrieben
worden, aber seit 1946 bekannt, sagte Forster.
Forster stellte dann eine Anfrage an das Bundesarchiv in
Berlin. Dort habe es Akten über den Mann gegeben, so
Forster.
Interview mit dem Verdächtigen
Der Student informierte seinen Professor: Walter Manoschek vom Institut für
Staatswissenschaft der Uni Wien flog daraufhin nach Deutschland, läutete
ohne Voranmeldung bei dem Verdächtigen und bat ihn um ein Interview für
ein Forschungsprojekt.
Walter Manoschek dokumentierte das mehrere Stunden dauernde
Gespräch mit einer Kamera.
89-Jähriger leugnet jetzt
Der 89-Jährige habe zu Beginn des Interviews erklärt, er könne
sich an mehrere Stunden - nämlich genau an die Phase der Erschießungen
- nicht erinnern, sagte Manoschek.
Der Wissenschaftler konfrontierte den Deutschen dann mit
Zeugenaussagen aus einem Prozess, die den Mann schwer belasten.
Daraufhin sagte der 89-Jährige laut Manoschek, er könne
sich die Zeugenaussagen nicht erklären, aber sie könnten
auch stimmen, er könne sich nicht erinnern.
Das habe sich zum Schluss aber wieder geändert, so
Manoschek. Jetzt leugne der 89-Jährige und sage, er
habe nie unschuldige, wehrlose Menschen erschossen.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Gegen den 89-Jährigen gibt es mittlerweile ein Ermittlungsverfahren in
Deutschland. Manoschek und Forster wollen ihr Material in Form eines Dokumentarfilms
veröffentlichen.
burgenland.ORF.at; 16.10.08
Der Mord an rund 200 jüdischen Zwangsarbeitern in Rechnitz 1945 war in
der vergangenen Woche Thema eines Symposiums in Eisenstadt. Mit dabei war der
umstrittene Autor David Litchfield. Fest steht: Die Suche nach dem Massengrab
geht weiter.
burgenland.orf.at
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