Recherchen
eines Studenten brachten die Justiz auf die Spur eines
89-Jährigen.
Er soll 1945 an der Ermordung von 60 Juden in Österreich
beteiligt gewesen sein
Es war der Morgen des Gründonnerstags, am 29. März
1945, als im österreichischen Deutsch Schützen rund
60 jüdische Zwangsarbeiter zusammengetrieben wurden. In
einer Waldlichtung nahe der Kirche wurden sie von deutschen
Soldaten erschossen. 50 Jahre später wurde das Massengrab
entdeckt, 63 Jahre später soll nun einer der Täter
in Deutschland ausfindig gemacht worden sein. Der 89-Jährige
lebt angeblich unweit seines Geburtsortes in Nordrhein-Westfalen.
Ein österreichischer Student der Politikwissenschaft,
Andreas Forster, war im Zuge seines Forschungspraktikums
auf den Namen des Mannes gestoßen, der Mitglied der
Waffen-SS gewesen sein soll. Der Name sei zwar gelegentlich
falsch geschrieben worden, sei aber seit 1946 bekannt gewesen,
berichtet die österreichische Nachrichtenseite ORF Online.
Forster hatte daraufhin eine Anfrage an das Bundesarchiv
in Berlin gestellt, wo es Akten über den Mann gab. Er
informierte seinen Professor Walter Manoschek am Institut
für Staatswissenschaft in Wien. Manoschek fuhr nach
Deutschland, um dem Verdächtigen einen unangekündigten
Besuch abzustatten. "Ich war überrascht, dass er
einem Interview mit Kamera zugestimmt hat“, sagte Manoschek
im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Der 89-Jährige habe über
das plötzliche Interesse nicht verwundert gewirkt. "Ich
hatte das Gefühl, er benutzte mich als Sparringpartner.
Er wollte sehen, was ich wusste, was aktenkundig ist, um
sich auf ein etwaiges Gerichtsverfahren vorzubereiten.“
Manoschek fuhr drei Mal nach Nordrhein Westfalen und interviewte
den 89-Jährigen insgesamt sieben Tage lang. Er konfrontierte
ihn mit Zeugenaussagen aus einem Prozess, der kurz nach dem
Krieg 1946 in Wien geführt wurde. Sie sollen den 89-Jährigen
schwer belasten. Zu Beginn des Interviews habe der Beschuldigte
erklärt, er könne sich an die Stunden der Erschießungen
nicht erinnern. Die Zeugenaussagen könne er sich nicht
erklären, sie könnten aber stimmen. Das habe sich
am Ende des Interviews aber wieder geändert, sagte Manoschek.
Der 89-Jährige leugne nun jegliche Beteiligung an dem
Massaker.
Manoschek erstattete nach den Interviews Anzeige bei der
Staatsanwaltschaft Dortmund. Die leitete am 15. August ein
Ermittlungsverfahren gegen den Mann ein. "Wir forcieren
die Sache“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß ZEIT
ONLINE. Maaß leitet die Zentralstelle zur Bearbeitung
nationalsozialistischer Massenverbrechen. Eine Vernehmung
noch in diesem Jahr schließt er nicht aus. "Wir
sind dabei, das umfangreiche Material auszuwerten und etwaige
Zeugen, sofern sie noch am Leben sind, zu befragen.“
Weitere Einzelheiten wollte der Staatsanwalt derzeit nicht
nennen. Kontakt zu dem Beschuldigten bestünde noch nicht.
Nach den Interviews dürfte er aber mit Ermittlungen
bereits rechnen. Manoschek und Forster wollen ihr Material
indes als Dokumentarfilm veröffentlichen. "Es ist
nur eine Frage der Finanzierung“, sagt der Wissenschaftler.
images.zeit.de
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