Iwan Demjanjuk
soll an der Ermordung von fast 30.000 Juden beteiligt gewesen
sein. Fahnder wollen den gebürtigen Ukrainer daher in
München vor Gericht stellen. Doch die Generalstaatsanwaltschaft
hat nun eine Anklageerhebung abgelehnt - sie sei nicht zuständig.
Ludwigsburg - Das Verfahren gegen den mutmaßlichen
Nazi-Kriegsverbrecher Iwan "John" Demjanjuk in
Deutschland droht zu scheitern.
Die Generalstaatsanwaltschaft München lehnt eine Übernahme
des Falls ab. "Die Münchner haben eine Zuständigkeit
verneint", sagte der Leiter der weltweit größten
Fahndungsstelle für NS-Verbrechen in Ludwigsburg, Kurt
Schrimm, am Mittwoch.
Nach Rückgabe der Akten an die Zentrale Stelle will
die Fahndungsstelle die Zuständigkeit vom Bundesgerichtshof
(BGH) klären lassen. "Wir leiten das heute noch
in die Wege", sagte Schrimm. Der in den USA lebende
gebürtige Ukrainer Demjanjuk soll an der Ermordung von
fast 30.000 Menschen beteiligt gewesen sein.
München sei der Ansicht, dass sich Demjanjuk kurz vor
seiner Ausreise in die USA im Jahr 1952 nicht mehr in der
Nähe der bayerischen Landeshauptstadt aufgehalten, sondern
vielmehr zuletzt in Ludwigsburg und Bremen gelebt habe.
"Mit Demjanjuks dortigen kurzfristigen Aufenthaltsorten
ist weder ein ständiger Aufenthalt noch ein Wohnsitz
begründet", betonte der Jurist. "Wir können
niemanden zwingen, das Verfahren zu übernehmen, sind
aber der Ansicht, dass der Fall nach München gehört."
Prozess in Deutschland
Demjanjuk soll sich als Angehöriger der Wachmannschaften
des Vernichtungslagers Sobibor (Polen) 1943 der Beihilfe
zur grausamen Ermordung von mindestens 29.000 europäischen
Juden schuldig gemacht haben. Darunter - und das ist für
eine mögliche Anklageerhebung in Deutschland wichtig
- waren rund 1900 deutsche Juden. "Aufgrund der Tatvorwürfe
sind wir immer noch zuversichtlich, dass gegen ihn ein Prozess
in Deutschland geführt werden kann", sagte Schrimm.
Der heute 88-jährigen Demjanjuk ist in der Ukraine
geboren worden und hatte die US-Staatsbürgerschaft.
Diese wurde ihm in diesem Jahr aberkannt. Die USA haben starkes
Interesse daran, Demjanjuk loszuwerden. Die Ukraine und auch
andere Staaten wollen ihn hingegen nicht aufnehmen. Der nun
staatenlose Demjanjuk, der in Ohio lebt, war nach dem Ende
des Zweiten Weltkrieges in einem Flüchtlingslager bei
München untergetaucht und 1952 in die USA ausgewandert.
Als Demjanjuks Mitwirkung am Holocaust Ende der siebziger
Jahre bekannt wurde, lieferten ihn die USA 1986 an den Staat
Israel aus. Dort wurde er wegen seiner angeblichen Tätigkeit
als besonders grausamer Wachmann "Iwan der Schreckliche" im
Vernichtungslager Treblinka angeklagt. 1988 wurde Demjanjuk
zum Tode verurteilt.
Der Oberste Gerichtshof Israels sprach Demjanjuk 1993 von
dem Vorwurf, der Wachmann "Iwan der Schreckliche" in
Treblinka gewesen zu sein, frei, da seine Identität
nicht sicher geklärt werden konnte. Nach dem Prozess
in Israel kehrte Demjanjuk in die USA zurück.
spiegel.de
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