Karlsruhe. Ein
Prozess gegen den ehemaligen KZ-Wärter Iwan Demjanjuk
wird wahrscheinlicher. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem
Landgericht München II das Verfahren gegen den mutmaßlichen
KZ-Mörder übertragen. Das wurde am Donnerstag in
Karlsruhe mitgeteilt. Dem heute 88-Jährigen, der in
den USA lebt, wird Beihilfe zum Mord in 29 000 Fällen
vorgeworfen.
Die Vorermittlungen hatte die Zentralstelle zur Aufklärung
nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg geleistet.
Deren umfangreichen Recherchen zufolge war Demjanjuk von
März bis September 1943 SS-Wachmann im Vernichtungslager
Sobibor in Polen. In dieser Zeit seien dort mindestens 29
000 europäische Juden ermordet worden.
1951 tauchte Demjanjuk mehrere Monate in einem Flüchtlingslager
bei München unter. Die Zentralstelle hielt diesen Aufenthalt
für Demjanjuks letzten deutschen Wohnsitz und leitete
die Akten an die Münchener Staatsanwaltschaft weiter.
Der Generalstaatsanwalt hielt jedoch die Zuständigkeit
nicht für eindeutig, weil Demjanjuk vor seiner Auswanderung
in die USA unter anderem noch in Bremen war, und gab die
Akten zurück. Die Zentralstelle rief den BGH an, dessen
Zweiter Strafsenat sich nun der Auffassung der Ludwigsburger
anschloss. Mit dem Gerichtsstandort München ist die
dortige Staatsanwaltschaft für weitere Ermittlungen
und die Anklageerhebung zuständig und müsste bei
den USA die Auslieferung Demjanjuks beantragen.
Demjanjuk wanderte 1952 in die USA aus, wo er als John Demjanjuk
die US-Staatsbürgerschaft erhielt. Als seine Mitwirkung
am Holocaust bekannt wurde, lieferten ihn die USA nach Israel
aus, wo er 1988 wegen Morden im Lager Treblinka zum Tode
verurteilt wurde. Der Oberste Gerichtshof Israels hob das
Urteil 1993 auf, weil es Zweifel daran gab, dass Iwan Demjanjuk
tatsächlich mit dem gefürchteten "Iwan der
Schreckliche" in Treblinka identisch war. Er kehrte
in die USA zurück.
Mehrere US-Gerichtsinstanzen hielten seither aber den Einsatz
Demjanjuks in Sobibor für bewiesen und entzogen ihm
die Staatsbürgerschaft. Die US-Justiz teilte der Bundesregierung
mit, dass sie den mutmaßlichen Kriegsverbrecher abschieben
will; die Ukraine wolle ihn nicht aufnehmen.
Der nunmehr Staatenlose bestreitet alle Vorwürfe. Seine
Angehörigen in Seven Hills bei Cleveland (Ohio) haben
bereits wissen lassen, der 88-Jährige leide unter schweren
Durchblutungsstörungen und sei nicht reisefähig.
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