Ein Blick ins Telefonbuch
reichte einem österreichischen Studenten, um einen mutmaßlichen
NS-Kriegsverbrecher ausfindig zu machen. Die Zentralstelle
für NS-Verbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund
bestätigte am Donnerstag, dass sie Ermittlungen gegen
einen 89-jährigen Duisburger eingeleitet hat. Er steht
im Verdacht, 1945 in Österreich an einem Massaker an
jüdischen Zwangsarbeitern beteiligt gewesen zu sein.
Derzeit befragt ein Staatsanwalt am Tatort, dem Dorf Deutsch
Schützen im Burgenland, drei frühere Hitlerjungen
als Zeugen. Es gebe eine "erdrückende Beweislast" gegen
den Mann, der "mit hoher Wahrscheinlichkeit" einer
der Täter sei, sagte der Dortmunder Oberstaatsanwalt
Ulrich Maaß der Nachrichtenagentur ddp.
Im Südburgenland waren gegen Ende des Zweiten Weltkriegs
Hunderte meist ungarischer Juden als Zwangsarbeiter beim
Bau des Südostwalls gegen die Rote Armee eingesetzt
worden. Im März 1945 wurden viele von ihnen umgebracht.
Am Morgen des Gründonnerstags, dem 29. März 1945,
ließ ein HJ-Bannführer in Deutsch Schützen
120 Zwangsarbeiter zu einer Kirche bringen, wo sie von Hitlerjungen
bewacht wurden. Wenig später erschoss eine Volkssturm-Einheit
aus drei Angehörigen der SS-Division Wiking und fünf
Feldgendarmen rund 60 Zwangsarbeiter. Hitlerjungen verscharrten
die Leichen in einem Massengrab, das eine Suchgruppe der
Jüdischen Gemeinde in Wien erst 1995 fand. Die Überreste
wurden umgebettet; die genaue Zahl der Opfer blieb unklar.
Einige der Hitlerjungen wurden 1946 verurteilt.
Der Wiener Politikstudent Andreas Forster las bei Forschungen
zu den Vorfällen unter anderem die Prozessakten eines
Verfahrens gegen den HJ-Führer, der 1956 mangels Beweisen
freigesprochen worden war. Er hatte die Schuld an der Erschießung
den drei SS-Männern gegeben; der Name eines der Männer
stand in den Akten. Der 28-jährige Forster fand den
Mann im Telefonbuch. Sein Lehrer, Professor Walter Manoschek,
reiste ins Ruhrgebiet und sprach mit dem Verdächtigen.
Dieser erinnere sich an viele Details aus der Zeit, sagte
Forster Spiegel Online - aber angeblich nicht an den Gründonnerstag
1945.
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