Das vor dem Aachener
Landgericht geplante Verfahren gegen einen heute 87-jährigen
mutmaßlichen SS-Mörder ist geplatzt. Die Schwurgerichtskammer
lehnte am Mittwoch die Eröffnung des Hauptverfahrens
gegen den Rentner Heinrich B. wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit
des Mannes ab. Das Simon Wiesenthal Center erklärte,
die Entscheidung dokumentiere das Scheitern der deutschen
Justiz bei der Strafverfolgung von NS-Verbrechern.
Einem Gutachten zufolge sei der Mann aus Eschweiler bei Aachen
wegen vielfältiger Gesundheitsprobleme nicht in der
Lage, einer Hauptverhandlung als Angeklagter beizuwohnen,
erklärte das Gericht. Gegen den Beschluss der Aachener
Richter können die Verfahrensbeteiligten Rechtsmittel
einlegen.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte B. im vergangenen
Frühjahr wegen Mordes angeklagt. Dem gebürtigen
Niederländer werden Morde an drei Männern 1944
in den Niederlanden zur Last gelegt. Die Opfer werden zum
Umfeld des niederländischen Widerstands gegen die Nazis
gerechnet. Die NS-Morde sollen demnach bei einer Aktion unter
dem Tarnnamen "Silbertanne" verübt worden
sein, der in dem Nachbarland insgesamt 54 Niederländer
zum Opfer fielen.
B. soll 1940 der deutschen Waffen-SS beigetreten sein und
mit weiteren Mittätern die drei Männer im Juli
und September 1944 in Breda, Voorschoten und Wassenaar erschossen
haben. Später gelang ihm die Flucht nach Deutschland,
wo er bis heute unbestraft lebt. Ein Sondergericht in Amsterdam
hatte B. 1949 in Abwesenheit zum Tod verurteilt. Diese Strafe
wurde später in lebenslange Haft umgewandelt, die niederländische
Staatsangehörigkeit wurde B. in der Folgezeit entzogen.
Im Juli 2007 hatte das Oberlandesgericht (OLG) Köln
entschieden, dass die Strafe an dem ehemaligen Bergmann nicht
vollstreckt werden könne. Nach dem Willen der Dortmunder
Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen in Nordrhein-Westfalen
sollte der Fall nun vor dem deutschen Gericht neu verhandelt
werden. Bei ihrer Anklage berief sich die Staatsanwaltschaft
seinerzeit auf ein EU-Übereinkommen. Demnach könne
B. der Prozess gemacht werden, weil die in den Niederlanden
verhängte Strafe gegen ihn nicht vollständig vollstreckt
worden sei.
Der Direktor des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem und
Leiter der Kampagne "Operation Letzte Chance",
Efraim Zuroff, nannte den Fall B. ein "typisches Beispiel
für die Versäumnisse der deutschen Justiz bei der
Strafverfolgung von NS-Tätern". Über Jahre
habe die Niederlande vergeblich verlangt, B. auszuliefern,
gegen ihn in Deutschland eine Strafe zu vollstrecken oder
ihn dort vor Gericht zu stellen. Wäre seinem Fall mehr
Aufmerksamkeit gewidmet worden, "wäre er ins Gefängnis
gewandert, lange bevor er der Gerechtigkeit aus gesundheitlichen
Gründen entkommen konnte".
123recht.net
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