Für manche
ist es immer noch schwer zu glauben. Wie kann ein paar Journalisten
in wenigen Wochen das gelingen, was Ermittlern angesehener
Behörden über 46 Jahre nicht vergönnt war?
Aber sind deshalb die Zweifel an den Recherchen von New York
Times und ZDF zum Leben und Tod des meistgesuchten Naziverbrechers
der Welt, Dr. Aribert Heim gerechtfertigt? Nein.
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11.02.2009
MEDIATHEK
Video Das Geheimnis des Dr. TodVerdrehen wir doch einmal kurz die Tatsachen:
Im November 2008 wendet sich ein Hinweisgeber nicht an irgendwelche Medien
sondern an das Simon-Wiesenthal-Center in Jerusalem oder an das Landeskriminalamt
Stuttgart oder an die Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in
Ludwigsburg.
Der Tipp beinhaltet eine Hoteladresse in einem bestimmten
Stadtviertel von Kairo, sowie die Kopie eines Ausweisfotos,
an dessen rechter, unterer Ecke das Fragment eines ägyptischen
Stempelabdrucks zu sehen ist. Donnerwetter, denken die Ermittler,
der Hinweisgeber muss ziemlich nah dran sein, denn dieses
Foto von dem Gesuchten haben sie noch nie gesehen.
Journalisten als Nazi-Jäger
Sie reisen in die ägyptische Hauptstadt, suchen nach
Menschen, die den Mann auf dem Foto wiedererkennen. Obwohl
die Hoteladresse sich als falsch herausstellt, treffen sie
bei einem Hotel in der Nähe auf eine Reihe von Augenzeugen,
und dann auf die Familie Doma. Drei Brüder erzählen
eine spannende Geschichte über das Leben des Mannes,
den sie als "Onkel Tarik" kennen. Bereitwillig
zeigen sie eine Aktentasche, die offenbar der Sohn "Tariks" 1992
in ihrer Obhut beließ.
Alle Hintergründe zur Recherche:
Most Wanted Nazi
Die Fahnder sehen sich hunderte von Dokumenten an, forschen
nach dem Verbleib des Leichnams von Tarik Farid Hussein,
der nach übereinstimmender Darstellung mehrerer Zeugen
am 10. August 1992 im Beisein seines Sohnes gestorben ist.
Sie besichtigen die mögliche Grabstelle auf einem Armenfriedhof,
beantragen bei der Meldebehörde eine Kopie des Totenscheins
und bitten den Sohn des Verstorbenen um ein Gespräch.
Der bestätigt alles. Wenn es so gelaufen wäre,
würden die Recherchen der Ermittler als großer
Erfolg gefeiert.
Statt Wiesenthal-Center, LKA oder Zentralstelle waren es
aber New York Times und ZDF, die den Hinweisen folgten. Und
schon wird alles in Zweifel gezogen, ja gar unterstellt,
die renommierten Medienunternehmen seien einem primitiven
Betrug zum Opfer gefallen, in eine Falle getappt, die der
angeblich verschlagene Sohn des meistgesuchten Nazi-Verbrechers
der Welt in vermeintlich niederträchtiger Absicht gestellt
habe.
LINKS
Fall Heim: Ermittler gehen ZDF-Infos nachFrust der Ermittler
Bei allem Verständnis für den Frust der Ermittler,
denen der Erfolg solange versagt blieb; bei aller Sympathie
für den unermüdlichen Nazi-Fahnder, Efraim Zuroff,
der gerade viel Geld für eine PR-Kampagne zur öffentlichen
Suche nach Aribert Heim in Südamerika ausgegeben hat,
und dem es jetzt gelungen war, Sponsoren für die Erhöhung
der ausgesetzten Belohnung auf mehr als eine Million Dollar
zu finden.
Aber viele voreilige Urteile der vergangenen Tage tragen
nichts zur historischen und strafrechtlichen Aufklärung
im Fall Heim bei. New York Times und ZDF haben genau das
getan, was die Fahnder sich seit Jahrzehnten wünschen:
Sie sind dem richtigen Hinweis gefolgt. Dass er ausgerechnet
an die Medien ging, das sollte die Nazi-Jäger eher nachdenklich
stimmen.
MEDIATHEK
Video KZ-Arzt Heim offenbar in Kairo gestorbenSuche nach
Grabstätte
Auf dem Armenfriedhof in Kairo werden die Bestatteten in
riesigen Büchern verzeichnet. Die entsprechenden Exemplare
aus dem Jahr 1992 lagern vermutlich bei der Gesundheitsbehörde.
So ließe sich die Grabkammer Aribert Heims vermutlich
identifizieren. Fahnder des Landeskriminalamts Baden-Württemberg
recherchieren seit heute vor Ort. Sehr bald schon werden
sie für ihre Ermittlungen wohl auch hunderte von Originaldokumenten
aus der Aktentasche Aribert Heims auswerten können.
Ob die ägyptische Regierung die Öffnung eines
Grabes erlaubt, in dem der Knochenstaub von dutzenden muslimischer
Toten aus den vergangenen sechzehn Jahren liegt, daran mag
man zweifeln. Aber einen Versuch ist es wert. Dieser Versuch,
Sicherheit über den Tod des meistgesuchten Nazi-Verbrechers
der Welt zu erlangen, wurde durch die Recherchen von New
York Times und ZDF erst möglich.
Ein Rätsel gelöst
Wir hätten in unserer Darstellung sehr gern alle Fragen
zum Fall Heim beantwortet - zum Beispiel, wie er in den 40er,
50er und 60er Jahren dreimal den Ermittlungen entkommen konnte.
Und wie die wiederholten Hinweise auf sein Versteck Ägypten
in den Jahrzehnten danach nicht zu seiner Ergreifung führten.
Das alles kann eine Fernsehdokumentation nicht leisten, insbesondere
wenn sie früher als geplant veröffentlicht werden
musste, weil irgendein sogenannter Journalist vergangene
Woche mit viel Geld die Augenzeugen in Kairo für eine
Exklusivgeschichte kaufen wollte.
Eines der größten Rätsel der Nachkriegsgeschichte
ist gelöst. Mit ihm verbunden sind weitere Rätsel,
an deren Lösung Ermittler und Journalisten weiter arbeiten
werden - auch die von New York Times und ZDF.
heute.de
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