Gegen den mutmaßlichen
NS-Verbrecher Iwan Demjanjuk ist Haftbefehl erlassen worden.
Der 88-Jährige soll als Wachmann in einem polnischen
Vernichtungslager Beihilfe zum Mord an mindestens 29.000
Juden geleistet haben.
MÜNCHEN/JERUSALEM/LUDWIGSBURG
- Gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher Iwan Demjanjuk
hat das Amtsgericht München Haftbefehl erlassen. Der
in den USA lebende 88-Jährige sei dringend verdächtig,
von März bis Ende September 1943 als Wachmann im Vernichtungslager
Sobibor im heutigen Polen Beihilfe zum Mord an mindestens
29 000 Menschen jüdischen Glaubens geleistet zu haben,
teilte die Staatsanwaltschaft München I am Mittwoch
mit. Der Verdächtige war in einem NS-Prozess in Israel
bereits zum Tode verurteilt, später aber wieder freigesprochen
worden. Sobald der Beschuldigte in Deutschland sei, werde
voraussichtlich Anklage vor dem Schwurgericht des Landgerichts
München II erhoben, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt
Manfred Nötzel.
Der Haftbefehl wurde beantragt, nachdem ein Gutachten des
Bayerischen Landeskriminalamtes die Echtheit des SS-Dienstausweises
des
gebürtigen Ukrainers bestätigt hatte. Die Bundesregierung
sei über den Haftbefehl informiert worden. "Das weitere
Vorgehen der Staatsanwaltschaft München I erfolgt in enger
Abstimmung mit der Bundesregierung", hieß es.
Das Simon Wiesenthal Center in Jerusalem äußert
in einer Mitteilung "tiefe Besorgnis wegen der andauernden
Verzögerungen beim Auslieferungsverfahren". Der
Nazijäger und Direktor des Centers, Efraim Zuroff, erinnerte
Bayerns Staatsregierung und Justizbehörden brieflich,
die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg
habe ihre Voruntersuchungen schon vor Monaten abgeschlossen.
Aber "die bayerischen Justizbehörden haben bisher
die notwendigen Schritte dazu nicht unternommen", klagte
er.
Iwan "John" Demjanjuk, der als Staatenloser im
US-Bundesstaat Ohio lebt, soll laut Ermittlerquellen zu den
sogenannten Trawniki gehört haben, einer Schar von "Hilfswilligen".
Diese Balten oder Ukrainer -ausgebildet im SS-Lager Trawniki
bei Lublin - mordeten für die Nazis.
Demjanjuk war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in einem
Flüchtlingslager bei München untergetaucht und
1952 in die USA ausgewandert. Als seine Mitwirkung am Holocaust
Ende der 1970er Jahre bekannt wurde, lieferten ihn die USA
1986 an Israel aus. Dort wurde er wegen seiner angeblichen
Tätigkeit als grausamer Wachmann "Iwan der Schreckliche" im
Vernichtungslager Treblinka angeklagt und zum Tode verurteilt.
Der Oberste Gerichtshof Israels sprach Demjanjuk aber 1993
frei, da seine Identität nicht sicher geklärt werden
konnte.
rundschau-online.de
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