Washington will
den 89-Jährigen möglichst schnell nach München
ausliefern. Der gebürtige Ukrainer soll sich nach dem
Krieg als Naziopfer ausgegeben haben.
Im Fall des mutmaßlichen NS-Verbrechers John Demjanjuk
dringt die US-Regierung auf dessen Abschiebung nach Deutschland.
Das Justizministerium forderte das zuständige Berufungsgericht
von Cincinati auf, seine vor einer Woche getroffene Entscheidung
zurückzunehmen, mit der dem 89-Jährigen ein Aufschub
gewährt wurde.
Demjanjuk habe es "mit zahlreichen Hinhaltetaktiken" versucht,
und es gebe keinen Grund mehr, seine Auslieferung an Deutschland
aufzuschieben, erklärte das Ministerium in Washington
und forderte die Annullierung des Einspruchs, mit dem Demjanjuk
eine neue Frist für seine Auslieferung erreicht hatte.
Das Ministerium wies in einer Eingabe darauf hin, dass dieser
Aufschub damit begründet worden sei, dass eine Entscheidung
der Berufungskammer für Einwanderungsfragen in Virginia
noch ausstehe. Diese Kammer habe aber am vergangenen Donnerstag
den Antrag Demjanjuks abgelehnt, das Einwanderungsverfahren
neu zu eröffnen.
Ein Berufungsgericht in Cincinnati hatte dem 89-Jährigen
am Donnerstag eine Frist bis zum 23. April für eine
gründliche ärztliche Untersuchung eingeräumt.
Dabei solle geklärt werden, ob Demjanjuk die gesundheitlichen
Voraussetzungen für einen Flug nach Deutschland erfülle.
Das Gericht forderte zudem die US-Einwanderungsbehörde
auf, Details über den geplanten Transport von Demjanjuk
vorzulegen.
Demjanjuks Anwälte argumentieren, der 89-Jährige
sei zu krank, um den Transport nach Deutschland und einen
Prozess durchzustehen. Am Dienstag hatte das Berufungsgericht
in Cincinnati Demjanjuks Auslieferung praktisch in letzter
Minute gestoppt, um diese Argumente zu prüfen. Der gebürtige
Ukrainer war zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg zum
Flughafen gewesen.
Demjanjuk wird Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen zur
Last gelegt. Er soll 1943 für ein halbes Jahr zu den
Wachmannschaften des NS-Vernichtungslagers Sobibor im damals
von Deutschland besetzten Polen gehört haben. Demjanjuk
muss sich in München vor Gericht verantworten, da er
vor seiner Auswanderung in die USA in der Nähe der bayerischen
Landeshauptstadt lebte.
Zeitungsbericht: Demjanjuk gab sich als Nazi-Opfer aus
Nach einem Bericht der Bild-Zeitung hatte sich Demjanjuk
nach Kriegsende als Nazi-Opfer ausgegeben. Dies gehe aus
Unterlagen des Internationalen Suchdienstes im hessischen
Bad Arolsen hervor. Laut den der Zeitung in Kopie vorliegenden
Unterlagen hat sich Demjanjuk wie ehemalige KZ-Häftlinge
und Zwangsarbeiter als sogenannte "Displaced Person" (DP)
registrieren lassen, um sich ein Anrecht auf Flüchtlingsunterstützung
zu erschleichen.
Darüberhinaus fänden sich im Archiv ein Ausweis
Demjanjuks mit Foto und Fingerabdrücken, Registrierungskarten
aus zehn verschiedenen Flüchtlingslagern, eine Quittung über
80 D-Mark vom Tag der Währungsreform und medizinische
Berichte über den gebürtigen Ukrainer. Katrin Flor,
Sprecherin des Internationalen Suchdienstes in Bad Arolsen,
sagte der Zeitung, dass im Bad Arolser Archiv das Leben Demjanjuks
zwischen Kriegsende und seiner Auswanderung in die USA 1952 "gut
dokumentiert" sei.
sueddeutsche.de
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