Es war einer der
letzten großen NS-Prozesse, der Angeklagte Josef S.
bestritt stets die Vorwürfe - nun ist der frühere
Wehrmacht-Kompaniechef in München zu einer lebenslangen
Haftstrafe verurteilt worden. Er war 1944 für die Ermordung
von zehn Italienern in der Toskana mitverantwortlich, so
das Gericht.
München - Der 90 Jahre alte Josef S. ist am Dienstag
in München wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft
verurteilt worden. Das Schwurgericht war nach knapp elfmonatiger
Beweisaufnahme überzeugt, dass der damalige Kompaniechef
eines Gebirgspionierbataillons 1944 in der Toskana den Befehl
zu einem Vergeltungsschlag für den Tod zweier Soldaten
gegeben hat. Insgesamt 14 italienische Zivilisten starben.
Der Angeklagte hatte die Vorwürfe während des elf
Monate dauernden Verfahrens stets bestritten. Die drei Verteidiger
von S. plädierten für ihren Mandanten vergeblich
auf Freispruch. Die Staatsanwaltschaft und nun auch das Gericht
sahen es hingegen als erwiesen an, dass S. maßgeblich
an einer Racheaktion an Zivilisten nach einem Partisanenüberfall
auf drei deutsche Soldaten beteiligt war.
S. hatte zu Beginn des Prozesses seine Verteidiger eine
Erklärung verlesen lassen, in der er bestritt, auch
nur Kenntnisse der damaligen Ereignisse im italienischen
Falzano di Cortona zu haben. Ein ehemaliger Mitarbeiter im
Schreinerbetrieb von S. beschuldigte seinen früheren
Chef jedoch in einer Zeugenaussage, sich in seinem Beisein
der Tötung von italienischen Zivilisten gebrüstet
zu haben.
Josef S. soll demnach Ende Juni 1944 als Kompanieführer
im Gebirgspionierbataillon 818 im italienischen Falzano di
Cortona, zwischen Arezzo und Perugia gelegen, den Befehl
zu zwei Vergeltungsanschlägen für einen Partisanenangriff
gegeben haben. Als Leutnant soll er seine Männer beauftragt
haben, "die Gegend systematisch zu durchsuchen und mehrere
angetroffene, vorwiegend männliche Personen festzunehmen",
sagte Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz. Wer sich der Festnahme
entzog, sollte auf der Stelle erschossen, die Festgenommenen
an einen zentralen Ort gebracht und dort getötet werden.
Wie Josef S. mussten sich mehrere NS-Kriegsverbrecher erst
Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg vor Gericht verantworten.
Einige tauchten unter falschem Namen unter oder führten
in anderen Ländern ein bürgerliches Leben wie der
mutmaßliche SS-Wachmann John Demjanjuk. Andere lebten
jahrelang unbehelligt in Deutschland, zum Teil nachdem sie
bereits in anderen Ländern in Abwesenheit verurteilt
wurden.
Der 90-jährige Josef S. war bereits 2006 wegen des
Massakers in der Toskana von einem italienischen Gericht
in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden, bevor
er am Dienstag auch vom Münchner Landgericht verurteilt
wurde. Zuvor lebte er jahrzehntelang als angesehener Bürger
in Ottobrunn bei München.
spiegel.de
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