Aber das Oberlandesgericht
Hamm sah das ganz anders und verpflichtete die Hagener Richter,
den zwölf Männern wegen Sobibor den Prozess zu
machen. Einer von ihnen war Kurt Bolender, Chef der rund
100 Trawniki-Wachleute in dem Vernichtungslager und damit
wahrscheinlich der direkte Vorgesetzte des jetzt in München
angeklagten John Demjanjuk. Der frühere Hotelportier
und SS-Oberscharführer Bolender war nach dem Krieg für
tot erklärt worden und hatte sich eine neue Identität
verschafft. Wenige Wochen nach Prozessbeginn erhängte
er sich in der Zelle.
Der SS-Oberscharführer Karl Frenzel bekam lebenslänglich,
weil er «befohlene Verbrechen ohne innere Hemmungen
nicht nur ausführte, sondern hierbei noch einverständlichen
Eifer zeigte und dabei sogar über das ihm Anbefohlene
hinausgeht, weil er Gefallen an dieser verbrecherischen Tätigkeit
findet», wie die Richter feststellten. Sechs Juden
habe der frühere Schreiner und Hadamar-Angestellte in
Sobibor eigenhändig ermordet.
Die anderen Angeklagten kamen glimpflich davon. Wegen Beihilfe
zum Massenmord wurden fünf von ihnen zu Haftstrafen
von drei bis acht Jahren verurteilt. Die übrigen fünf
wurden wegen Befehlsnotstands freigesprochen. «Da die
Lagermorde juristisch als staatliche Auftragsmorde klassifiziert
worden waren, hatten die Gerichte für eine Verurteilung
wegen gemeinschaftlichen Mords den subjektiven Täterwillen
nachzuweisen», erklärte Berger.
Ein Haupttäter immerhin wurde doch noch zur Rechenschaft
gezogen: Der ehemalige Lagerkommandant von Sobibor und Treblinka,
Franz Stangl. Der einstige Polizist und SS-Offizier war nach
dem Krieg untergetaucht, als wegen der Euthanasie-Morde in Österreich
gegen ihn ermittelt wurde. Stangl wurde schließlich
in Brasilien aufgespürt und 1970 in Düsseldorf
zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb ein Jahr später
im Gefängnis.
Aber nach diesen beiden Urteilen geschah lange nichts mehr.
Erst ein Jahrzehnt später, nach der Gründung der
Zentralen Stelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg,
begann die Justiz in der Bundesrepublik systematisch zu ermitteln.
Insgesamt rund 120 Deutsche und Österreicher waren
in den drei Vernichtungslagern Sobibor, Belzec und Treblinka
eingesetzt, wie die Historikerin Sara Berger in einem Beitrag
für das Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt schrieb. Von
1942 bis zur Auflösung der Lager im Herbst 1943 hätten
sie dort annähernd 1,5 Millionen Juden umgebracht.
«Bis 1949 waren soweit bekannt mindestens 46 der über
120 namentlich bekannten Täter gestorben oder für
tot erklärt worden», schreibt Berger. Einige waren
schon beim Häftlingsaufstand im Oktober 1944 umgekommen,
andere wie der erste Lagerleiter Christian Wirth waren später
an der Front gefallen. Der Erbauer von Sobibor, Richard Thomalla,
wurde in der CSSR hingerichtet, der Lagerarzt Irmfried Eberl
hatte sich nach seiner Verhaftung das Leben genommen. Ein
weiteres Drittel war nicht auffindbar. Und 27 wurden letztlich
vor Gericht gestellt - alle in Westdeutschland, keiner in
der DDR und Österreich.
Der erste große Sobibor-Prozess gegen zwölf Angeklagte
begann im September 1965 vor dem Landgericht Hagen. Eigentlich
wollte dieses fünf Anklagen gar nicht zulassen. Diese
Männer hatten sich nämlich eben erst im Belzec-Verfahren
beim Landgericht München erfolgreich auf Befehlsnotstand
berufen - die dortige Kammer hatte die Anklagen wegen Beihilfe
zum Massenmord abgelehnt. Sie hätten im Bewusstsein
gehandelt, «sich in einer völlig ausweglosen Zwangslage
zu befinden und nichts anderes tun zu können, als den
ihnen erteilten Befehlen zu gehorchen».
Aber das Oberlandesgericht Hamm sah das ganz anders und
verpflichtete die Hagener Richter, den zwölf Männern
wegen Sobibor den Prozess zu machen. Einer von ihnen war
Kurt Bolender, Chef der rund 100 Trawniki-Wachleute in dem
Vernichtungslager und damit wahrscheinlich der direkte Vorgesetzte
des jetzt in München angeklagten John Demjanjuk. Der
frühere Hotelportier und SS-Oberscharführer Bolender
war nach dem Krieg für tot erklärt worden und hatte
sich eine neue Identität verschafft. Wenige Wochen nach
Prozessbeginn erhängte er sich in der Zelle.
Der SS-Oberscharführer Karl Frenzel bekam lebenslänglich,
weil er «befohlene Verbrechen ohne innere Hemmungen
nicht nur ausführte, sondern hierbei noch einverständlichen
Eifer zeigte und dabei sogar über das ihm Anbefohlene
hinausgeht, weil er Gefallen an dieser verbrecherischen Tätigkeit
findet», wie die Richter feststellten. Sechs Juden
habe der frühere Schreiner und Hadamar-Angestellte in
Sobibor eigenhändig ermordet.
Die anderen Angeklagten kamen glimpflich davon. Wegen Beihilfe
zum Massenmord wurden fünf von ihnen zu Haftstrafen
von drei bis acht Jahren verurteilt. Die übrigen fünf
wurden wegen Befehlsnotstands freigesprochen. «Da die
Lagermorde juristisch als staatliche Auftragsmorde klassifiziert
worden waren, hatten die Gerichte für eine Verurteilung
wegen gemeinschaftlichen Mords den subjektiven Täterwillen
nachzuweisen», erklärte Berger.
Ein Haupttäter immerhin wurde doch noch zur Rechenschaft
gezogen: Der ehemalige Lagerkommandant von Sobibor und Treblinka,
Franz Stangl. Der einstige Polizist und SS-Offizier war nach
dem Krieg untergetaucht, als wegen der Euthanasie-Morde in Österreich
gegen ihn ermittelt wurde. Stangl wurde schließlich
in Brasilien aufgespürt und 1970 in Düsseldorf
zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb ein Jahr später
im Gefängnis.
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