Deutschland
bekommt am Holocaust-Gedenktag großes Lob für
die strafrechtliche Verfolgung von NS-Verbrechern: Das Simon-Wiesenthal-Zentrum
gab der Bundesrepublik erstmals die Note "sehr gut".
Es habe eine "monumentale Veränderung" in
der deutschen Anklagepolitik gegeben.
Jerusalem - Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat in seinem neuen
Jahresbericht Deutschland erstmals die Note "sehr gut" für
die strafrechtliche Verfolgung von NS-Verbrechern gegeben. "Es
gibt eine monumentale und höchst bedeutsame Veränderung
in der deutschen Anklagepolitik", sagte der der Leiter
des Jerusalemer Zentrums, Efraim Zuroff, der Nachrichtenagentur
dpa. Mit Deutschland habe erstmals ein zweites Land gemeinsam
mit den Vereinigten Staaten die Bestnote erhalten. Dagegen
bekam Österreich vom Nazi-Jäger Zuroff wegen "minimaler
Anstrengungen bei der Untersuchung von Nazi-Kriegsverbrechen" nur
ein ausreichend.
Zuroff lobte die jüngsten Anstrengungen Deutschlands
bei der strafrechtlichen Verfolgung von NS-Kriegsverbrechen. "Deutschland
ist nicht perfekt, ab es tut viel mehr, als es im vergangenen
Jahrzehnt getan hat", sagte der Nazi-Jäger. " Demjanjuk
wurde in München vor Gericht gestellt. Deutschland ist
jetzt auch bereit, Nichtdeutsche strafrechtlich zu verfolgen,
was in der Vergangenheit nicht der Fall war. Es besteht auch
die Bereitschaft, Personen unterhalb des Offiziersdienstgrades
anzuklagen. Das eröffnet ein gewaltiges Potential für
neue Gerichtsfälle."
Nach den Worten von Zuroff wurden seit Januar 2001 weltweit
77 mutmaßliche Nazi-Verbrecher angeklagt. Nicht das
hohe Alter sei die größte Hürde für
eine Strafverfolgung, sondern in vielen Fällen der mangelnde
politische Willen, heißt es in dem Bericht.
Israel gedenkt Holocaust-Opfern mit Schweigeminuten
Auf der neuen Liste der zehn meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher
steht jetzt erstmals der 95 Jahre alte Sandor Kepiro an oberster
Stelle. Der ehemalige ungarische Polizeioffizier wird beschuldigt,
an der Ermordung von mehr als 1200 Zivilisten im Januar 1942
im serbischen Novi Sad beteiligt gewesen zu sein. Neu in
der Liste tauchen die beiden Deutschen Samuel Kunz und Adolf
Storms an dritter und vierter Stelle auf. Kunz soll am Massenmord
an Juden im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec
im damals besetzten Polen beteiligt gewesen sein. Das ehemalige
SS-Mitglied Storms wird verdächtigt, an der Tötung
von 58 jüdischen Zwangsarbeitern im März 1945 im österreichischen
Dorf Deutsch Schützen teilgenommen zu haben.
Die Veröffentlichung des neuen Jahresberichts des Simon-Wiesenthal-Zentrums
fiel mit dem Holocaust-Gedenktag in Israel zusammen. Am sogenannten
Jom ha-Shoah gedenkt Israel jedes Jahr mit zwei Schweigeminuten
der sechs Millionen Juden, die während der NS-Zeit getötet
worden waren. Um 10 Uhr Ortszeit heulten landesweit die Sirenen.
Der gesamte Verkehr blieb stehen, Autofahrer stiegen aus
ihren Fahrzeugen, Menschen verharrten auf den Straßen
oder am Arbeitsplatz in stiller Andacht. In Israel leben
heute noch mehr als 200.000 Holocaust-Überlebende. Auf
dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz
wird mit einem "Marsch der Lebenden" dem Völkermord
an den Juden gedacht.
Das Wiesenthal-Zentrum ist mit der weltweiten Suche nach
untergetauchten Nazi-Verbrechern und Kollaborateuren bekannt
geworden. Die 1977 gegründete Menschenrechtsorganisation
hat ihren Hauptsitz in Los Angeles. Das Zentrum ist nach
dem österreichischen Juden Simon Wiesenthal (1908 bis
2005) benannt, der viele Angehörige während des
Holocaust verloren und deshalb nach dem Zweiten Weltkrieg
weltweit nach Nazi-Tätern geforscht hatte.
spiegel.de
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