13. Juli 2007, 17:49

der standart
  Erstmals in Österreich Ergreiferprämien für mutmaßliche NS-Verbrecher
 
 


Nur mehr wenige mutmaßliche NS-Verbrecher sind am Leben. Einige davon stehen seit Jahrzehnten auf internationalen Fahndungslisten und werden per internationalem Haftbefehl gesucht. In Österreich wurde bisher allerdings keine spezielle Belohnung für die Ergreifung von ehemaligen heimischen Nationalsozialisten geboten - Justizministerin Maria Berger ändert das jetzt. Das österreichische Justizministerium setzt erstmals eine Ergreiferprämie für zwei mutmaßliche NS-Verbrecher aus, berichtete das Ö1-Morgenjournal.

"Ein positives Zeichen"

Je 50.000 Euro werden für Hinweise, die zur "Ausforschung, Ergreifung und Verurteilung" des früheren KZ-Arztes Aribert Heim und des früheren SS-Hauptsturmführer Alois Brunner führen, bezahlt. Offiziell ausgeschrieben wird die Prämie kommende Woche in der "Wiener Zeitung". "Ein positives Zeichen und ein sehr sinnvoller, wenn auch mehr symbolischer Akt", konstatiert Wolfgang Neugebauer vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW). Dass die beiden noch leben, sei unwahrscheinlich. Beide sind über 90 Jahre alt. Die Flüchtigen sind zwei der letzten Hauptkriegsverbrecher, nach denen noch gefahndet wird. Im Rahmen der Operation Last Chance (Operation letzte Chance) hatte das Simon Wiesenthal Centers (SWC) Österreich seit September 2003 insgesamt 328 Namen von in Österreich geborenen mutmaßlichen NS-Verbrechern übermittelt. Die meisten auf dieser Liste sind jedoch bereits tot.

Wenig Interesse

Die Fahndung, zu der sich Österreich nun durchgerungen hat, kommt also reichlich spät. "Über Jahrzehnte hinweg bestand bei den österreichischen Behörden nur sehr wenig Interesse an der Verfolgung von Nazi-Verbrechen", beklagt Neugebauer. Deutschland und Italien hätten viel mehr Engagement gezeigt. Erst der Fall Gross habe hier zu einer vermehrten Auseinandersetzung geführt.
Im ORF-"Mittagsjournal" am Freitag gab Justizministerin Berger der Hoffnung Ausdruck, dass die Ausschreibung "mehr als ein symbolischer Akt" sei. Es gebe Hinweise, dass beide Männer noch am Leben sind. "Da sollte man jetzt die wahrscheinlich letzte Möglichkeit ergreifen", so Berger. Die Aktion solle auch in jenen Ländern bekannt gemacht werden, in denen die beiden Männer vermutet werden.

Aufenthaltsort: weitgehend unbekannt

Aribert Heim (93) war in einigen deutschen Konzentrationslagern als Lagerarzt tätig. Er soll als SS-Arzt im Konzentrationslager Mauthausen zahlreiche Häftlinge durch Herzinjektionen ermordet haben. Heim ist seit 1962 auf der Flucht und wird per internationalem Haftbefehl gesucht. Vor seinem Untertauchen praktizierte Heim noch in Deutschland ganz legal als Arzt. Sein Aufenthaltsort heute ist unbekannt, es gibt allerdings Hinweise, die Heim in Spanien oder Südamerika vermuten lassen. Heim wird auch per deutschem Haftbefehl gesucht, die Polizei Baden-Württemberg hat auch eine Belohnung von 130.000 Euro ausgesetzt.
Dem zweiten Gesuchten, Alois Brunner (95), wird vorgeworfen, "maßgeblich an der Deportation von jüdischen Menschen mit dem Zweck diese zu töten" mitgewirkt haben. Brunner betätigte sich vor allem in Griechenland,Frankreich und Ungarn. Er war außerdem zeitweiser Leiter von Adolf Eichmanns "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" und Eichmanns wichtigster Mitarbeiter. "Brunner ist sicher einer der Hauptkriegsverbrecher, gleich hinter Eichmann", ist Neugebauer überzeugt. Brunner lebt höchstwahrscheinlich in Syrien, wo ihn 1985 ein Journalist der deutschen Zeitschrift "Bunte" interviewte. Den letzten Ansatz, seine Auslieferung zu erreichen, machte Kurt Waldheim als Bundespräsident. Allerdings wurde Brunners Aufenthalt von den syrischen Behörden immer wieder dementiert.
Sollte es für andere noch lebende NS-Kriegsverbrecher einen aufrechten Haftbefehl und einen richterlichen Beschluss geben, würden auch für diese Prämien ausgeschrieben, so die Justizministerin.

Kritik an Österreich

"Wir sind sehr erfreut, das nun eine solche Entscheidung getroffen worden ist". Der Direktor des Simon Wiesenthal Centers (SWC) Jerusalem, Efraim Zuroff, hatte vor Jahren heftige Kritik an Österreich bezüglich der Verfolgung von NS-Verbrechern geübt, jetzt freut er sich über die Prämien. "Österreich ist ein Paradies für NS-Verbrecher", sagte Zuroff bei einer Pressekonferenz im Februar 2006 in Wien. Die österreichische Rechtslage nannte er "empörend", Täter könnten in Österreich offen über ihre Verbrechen sprechen. Auch daran will Justizministerin Berger etwas ändern: Das österreichische Recht soll auf EU-Stand gebracht werden. Das bedeutet, dass in Zukunft alle Verbrechen, die international als Völkermord eingestuft werden, entsprechend bestraft werden sollen.

der standart, 13 Juli 2007