Ingolstadt
(DK) Der inzwischen 88-jährige, in Ingolstadt lebende NS-Kriegsverbrecher
Klaas Carel Faber könnte eventuell doch noch im Gefängnis
landen. Die Niederlande signalisierten gestern Bereitschaft,
in Deutschland noch einmal um Hilfe bei der Vollstreckung
der Haftstrafe zu ersuchen.
Wie der Sprecher von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) bestätigte, regte sie in einem Telefonat mit ihrem
Amtskollegen Ernst Hirsch Ballin ein so genanntes Vollstreckungs-Übernahme-Ersuchen
an. Damit könnte der inzwischen 88-jährige, gebürtige Niederländer
Faber seine in den Niederlanden verhängte Strafe absitzen
müssen. Wie das Ministerium weiter mitteilte, werden aber
auch sämtliche andere Möglichkeiten, den NS-Kriegsverbrecher
noch zu belangen, geprüft. Der Grund für das erneute Aufrollen
des Falls ist ein Brief des israelischen Justizministers
an die Bundesjustizministerin mit der dementsprechenden Bitte.
Zeitpunkt noch unklar
"Wir rechnen in der kommenden Woche mit weiteren Informationen aus Deutschland", sagte der Sprecher des niederländischen Justizministeriums, Wim van der Weegen,
in Den Haag. "Je nachdem, welche Möglichkeiten die deutsche Justiz noch sieht, wollen wir reagieren." Wann und in welcher Form dann ein entsprechendes Ersuchen an die deutsche Justiz
übermittelt werden könnte, sei derzeit noch
unklar.
Seit 1961
lebt Klaas Carel Faber unbehelligt im Ingolstädter
Piusviertel. Seit 2009 steht er auf der Liste
der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher, die
das Simon-Wiesenthal-Zentrum mit Hauptsitz
in Los Angeles jedes Jahr aktualisiert. In
den Niederlanden war Faber für seine Beteiligung
an der Ermordung von Gefangenen im Transitlager
Westerbork 1944 zum Tode verurteilt worden.
1948 wurde das Urteil dann in eine lebenslange
Haftstrafe umgewandelt. Vier Jahre später gelang
Faber die Flucht aus dem Gefängnis. Bis zu
seiner Pensionierung arbeitete er bei der Auto
Union, der jetzigen Audi AG.
Theoretisch
gibt es jetzt drei Möglichkeiten, Faber doch
noch hinter Gitter zu bringen. Erstens: Man
erkennt ihm die deutsche Staatsbürgerschaft
ab, die er aufgrund eines Führererlasses als
Mitglied der Waffen-SS erhalten hatte. Dadurch
könnte er an die Niederlande ausgeliefert werden.
Zweitens: Es kommt hierzulande zu einer Strafverfolgung.
Das geht aber nur, wenn damals Deutsche unter
den Opfern waren. Drittens: Man fechtet das
Urteil des Düsseldorfer Landgerichts aus dem
Jahr 1957 an, nach welchem dem Beschuldigten
die Taten nicht nachzuweisen seien. "Im Moment kann man nichts ausschließen", sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. "Alle Möglichkeiten werden ausgelotet."
Es gibt
Differenzen
Bislang
gibt es Differenzen zwischen Bundesjustizministerin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der
bayerischen Justizministerin Beate Merk (CSU).
Während Leutheusser Schnarrenberger darauf
pocht, das Urteil von 1957 sei anfechtbar,
ist Merk genau der gegenteiligen Meinung. Die
Schwierigkeit: Die Zuständigkeit liegt bei
der bayerischen Justiz. Leutheusser-Schnarrenberger
muss also – zumindest was diese Variante anbelangt
– darauf hoffen, dass Merk einlenkt.
Bereits
vor einigen Jahren hatte die Justiz wieder
Interesse an dem Fall gezeigt: 2003 beantragten
die Niederlande die Umsetzung des auf lebenslänglich
lautenden Urteils. Nur ein Jahr später lehnte
das Landgericht Ingolstadt die Vollstreckung
des Urteils von 1948 ab – unter Verweis auf
das Urteil des Düsseldorfer Landgerichtes von
1957. Eine Auslieferung von Faber an die Niederlande
war nie erfolgt, weil Faber als Deutscher gilt.
donaukurier.de
|