Der
Fall Klaas Faber beschäftigt zwei Bundesministerien, die
bayerische Justiz und die Niederlande
Ingolstadt - Bayerns Justiz gerät unter Druck.
In Holland und Israel wächst Unverständnis,
teilweise sogar Wut, weil der verurteilte NS-Kriegsverbrecher
Klaas Carel Faber seit einem halben Jahrhundert
unbehelligt in Ingolstadt lebt. Auch das Bundesjustizministerium
verlangt, gegen den 88-jährigen Rentner vorzugehen.
Faber, geboren 1922 in Haarlem, hat während der deutschen Besetzung der Niederlande
an der Exekution von 22 Widerstandskämpfern
mitgewirkt. Wie sein Bruder Pieter Johan war
er Mitglied des Sonderkommandos Feldmeijer,
einer Spezialeinheit der SS, und erschoss im
Rahmen der "Aktion Silbertanne" holländische Zivilisten als "Vergeltung" für Anschläge auf Besatzungssoldaten. Dafür wurden die beiden Fabers 1947 in
Holland zum Tode verurteilt. Während sein Bruder
hingerichtet wurde, wandelte das zuständige
Gericht das Urteil gegen Klaas Faber 1948 in "lebenslänglich" um. Vier Jahre später gelang ihm die Flucht nach Deutschland. Die niederländische
Regierung ersuchte die Bundesrepublik sofort
um die Auslieferung.
Doch Bonn weigerte sich. In einem "Führererlass" hatte Adolf Hitler 1943 festgelegt, dass ausländische SS-Freiwillige automatisch
die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten.
Faber hatte wegen seiner Kollaboration mit
den Nazis die niederländische Nationalität
verloren. Da damals als Reaktion auf die NS-Ausbürgerungen
deutsche Bürger nicht zur Bestrafung an andere
Staaten ausgeliefert wurden, schützte nun der
junge Rechtsstaat Faber davor, zum Strafvollzug
in die Niederlande zurückgebracht zu werden.
1957 hatte
die deutsche Justiz versucht, den langjährigen
Audi-Arbeiter hinter deutsche Gitter zu bringen.
Der Versuch misslang. Das Landgericht Düsseldorf
ließ eine Anklage nicht zu, denn Holland verweigerte
jegliche Kooperation mit dem Gericht und bestand
stattdessen auf Fabers Auslieferung.
In Aachen
wurde nun aber im vergangenen März Heinrich
Boere verurteilt, wie Faber einer der "Silbertannen"-Mörder. Auch Boere war in den Niederlanden nach Kriegsende schon einmal der
Prozess gemacht worden. Damit gibt es nun einen
möglichen Präzedenzfall. Bereits als FDP-Oppositionsführerin
in Bayern hatte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
den Fall Faber aufgegriffen. Jetzt nimmt sie
einen neuen Anlauf, wozu sie auch von ihrer
israelischen Kollegin sowie 150 israelischen
Anwälten aufgefordert worden war. Sie regte
an, das niederländische Urteil in Deutschland
zu vollstrecken (wie Holland es 2004 vorgeschlagen
hat.) Allerdings lehnte das Landgericht Ingolstadt
dies damals ab. Bayerns Justizministerin Beate
Merk antwortete nach Berlin, es sei nicht "weiterführend", die Staatsanwaltschaft Ingolstadt zu fragen, ob sie das holländische Urteil
umsetzen wolle. Stattdessen bat die stellvertretende
CSU-Vorsitzende um ein neues förmliches Ersuchen
aus den Niederlanden in der Frage.
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Im niederländischen Justizministerium in Den
Haag reagiert man erstaunt: ,,Die Situation
hat sich nicht verändert. Wir haben nichts
aus Deutschland gehört",
sagte ein Sprecher der WELT. Offenbar arbeiten
die verschiedenen Behörden im Fall Faber
aneinander vorbei. Bei der Kabinettssitzung
am kommenden Mittwoch wird Leutheusser-Schnarrenberger
ihren Ministerkollegen und Parteichef Guido
Westerwelle fragen, ob er die Holländer für
ein erneutes Ersuchen an die bayerische Justiz
gewinnen kann.
Jedoch
ist die Rechtslage unklar: ,,Wir bezweifeln,
ob das Verfahren aus 1957 Sperrwirkung hat
und ob man neue Tatsachen liefern muss", teilt das Bundesjustizministerium auf Anfrage mit. In München sieht man das
anders: ,,Die Hürden sind sehr hoch, die Chancen
nicht positiv", sagt Merks Sprecher Stefan Heilmann. "Ein neues Verfahren findet nur bei einem Geständnis statt, oder wenn die Fälschung
von Zeugenaussagen oder Dokumenten belegt sind." Es greife das rechtsstaatliche Prinzip, dass eine doppelte Bestrafung in derselben
Sache verboten sei, der so genannte Strafklageverbrauch.
Der niederländische
Kriegsreporter Arnold Karskens hat dennoch
Hoffnung, dass auch der letzte holländische
Nazigreis sein Lebensende hinter Gittern verbringen
wird. Er hat zahlreiche Kriegsverbrecher aufgespürt,
Heinrich Boere war einer davon. Das Urteil
gegen Boere zeige, dass langer Atem und Durchhalten
schließlich zu Gerechtigkeit führen könne.
Zwar spät, aber besser als gar nicht.
welt.de
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