Arnsberg.
Er bezeichnet sich selbst als „simpler Strafverfolger“ und
nicht als „Nazijäger“. Und sachlich - nicht reißerisch -
berichtete Ulrich Maaß auch den Schüler/-innen der Stufe
11 des Gymnasiums Laurentianum über seine akribische, oft
problematische und stets erschütternde Arbeit.
Der Jurist war bis vor kurzem Leiter der „NRW-Zentralstelle 1 für Nazi-Massenverbrechen“
in Dortmund. Inzwischen Oberstaatsanwalt „a.D.“,
lässt ihn seine Ermittlungsarbeit in Sachen
Verbrechen, die inzwischen über 60 Jahre zurück
liegen, auch im Ruhestand nicht ruhen.
Mit Unterbrechungen
sucht er seit 1979 nach Kriegsverbrechern aus
dem Zweiten Weltkrieg, nach neuen Beweisen
und bislang geheim gehaltenen oder vergessenen
Akten.
Kein einfacher
Job, wie er den über 100 im Rittersaal des
Alten Rathauses versammelten Pennälern vermittelte.
Die lauschten aufmerksam den Ausführungen des
einstigen Anklägers, der einer Einladung der
„Fachschaft Geschichte“ des Laurentianums gefolgt
war. Geschichtslehrer Jürgen Müller, der die
Organisation der Veranstaltung übernommen hatte,
ließ bereits in seiner Einführung eine häufig
gestellte Frage anklingen: „Muss nicht irgendwann
Schluss sein?“
„Weil
wir es den Opfern schuldig sind“
Eine Frage, die sich für Maaß nie gestellt
hat: „Warum wir das noch machen - weil wir
es den Opfern schuldig sind. Und weil es meine
Pflicht als Strafverfolger ist!“ Eine Pflicht,
die ihm nicht nur Lob, sondern auch Kritik
einbrachte, ihn aber nie von seinem Weg abweichen
ließ - Erfolg um der Sache Willen. In der anschließenden
Podiumsdiskussion stellte Ulrich Maaß auf die
Frage nach Mitleid mit den - inzwischen meist
sehr betagten - Tätern eine Gegenfrage: Hatten
diese denn einst Mitleid mit ihren Opfern...?
„So gut
wie nie“, beantwortet der Pensionär im „Unruhestand“
die Frage selbst - meist habe er bei den Tätern
einen Verdrängungsaspekt festgestellt - „die
lebten völlig normal, bei Hausdurchsuchungen
bekamen wir oft Kaffee angeboten, aber niemals
Reue.“
Kephallonia
Dieser Aspekt und die Schwierigkeit der Ermittlungsarbeit
haben den Dortmunder hart gemacht - und hartnäckig:
So rollte er im Jahr 2001 das Verfahren „Kephallonia“
wieder auf, das bereits in den 1960er Jahren
eingestellt worden war. Doch selbst weltweite
Ermittlungen brachten kein Licht mehr in
das Massaker, das deutsche Gebirgsjäger 1943
auf der griechischen Insel unter italienischen
Kriegsgefangenen angerichtet hatten. Wegen
„geringer Schuld“ wurde die Anklage gegen
zwei ehemalige Gefreite fallen gelassen.
Verantwortliche Offiziere konnten nach fast
sechs Jahrzehnten nicht mehr zur Rechenschaft
gezogen werden. Dieser Fall spiegelt die
gesamte Problematik der Strafverfolgung
auf diesem Gebiet wider: Tatorte, die oft
im Ausland liegen, Zuständigkeiten, Instanzen
sowie Verhandlungs-/Haftfähigkeit potenzieller
Täter.
Ein Wettlauf
gegen die Zeit, der auf die Zielgerade eingebogen
ist. „Was ist, wenn alle Täter tot sind?“,
fragte ein Schüler. Dann sei Schluss, so Maaß,
der sogar mit einem konkreten Datum aufwartete:
Im Jahr 2022 sei der jüngste eines Kriegsverbrechens
im Zweiten Weltkrieg verdächtige Deutsche 95
Jahre alt - so er denn überhaupt noch lebt.
Danach
sind die Strafverfolger außen vor - und die
Historiker bei der Aufarbeitung dieser dunklen
Kapitel der Geschichte wieder allein.
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