Er
war einer der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher und sollte
sich Anfang nächsten Jahres dafür verantworten. Nun ist der
ehemalige Wolgadeutsche tot.
Bonn/Dortmund. Ein wegen der Beteiligung an Massenmorden angeklagter mutmaßlicher
NS-Kriegsverbrecher ist tot. Der Mann, dem
vor dem Landgericht Bonn der Prozess gemacht
werden sollte, sei im Alter von 89 Jahren gestorben,
sagte ein Sprecher der Zentralstelle zur Aufklärung
von NS-Kriegsverbrechen in Dortmund am Montag
auf dapd-Anfrage. Der Sprecher bestätigte damit
einen «Bild»-Bericht vom Wochenende. Der 89-Jährige
sollte Anfang kommenden Jahres wegen der Beteiligung
an nationalsozialistischen Massenmorden vor
Gericht gestellt werden. Dem im Raum Bonn lebenden
Mann war Mord in zehn Fällen und Beihilfe zum
Mord in bis zu 440.000 Fällen vorgeworfen worden.
Einer
der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher
Der ehemalige
Wolgadeutsche soll im Januar 1942 im Vernichtungslager
Belzec in Polen gearbeitet und dort als Wachmann
und auch als Aufseher eingesetzt worden sein.
Laut Anklageschrift wurden bis Juli 1943 in
den dortigen Gaskammern laut Schätzungen rund
440.000 Juden getötet. Auf der Liste der meistgesuchten
NS-Kriegsverbrecher des Simon Wiesenthal Centers
belegte der Beschuldigte den dritten Platz.
Die Opfer
wurden damals den Angaben zufolge mit Zügen
in Viehwaggons zum Vernichtungslager gebracht.
Ihnen wurde erklärt, sie kämen jetzt zum Arbeitseinsatz,
müssten jedoch vorher entlaust, gebadet und
untersucht werden. Nachdem sie sich entkleidet
hatten, wurden zuerst die Männer und dann die
Frauen und Kinder zum Vergasungsgebäude getrieben
und in einzelnen Kammern eingeschlossen. Dort
wurden sie mit den Abgasen eines Dieselmotors
erstickt.
Laut Staatsanwaltschaft
hatte der Mann im Mai/Juni 1943 zudem acht
Menschen eigenhändig erschossen. Dabei handelte
es sich um die in einer Grube liegenden Opfer,
die bei einer vorherigen Massenerschießung
lediglich verwundet worden waren. Im Juli 1943
soll der 89-Jährige zwei weitere Menschen erschossen
haben, die zuvor aus einem für das Vernichtungslager
bestimmten Zug geflohen und dann von Wachmännern
gefasst worden waren.
Nach Angaben
der Zentralstelle war rund ein Jahr lang gegen
Samuel K. ermittelt worden. Dabei seien zahlreiche
Details zu den Verbrechen in dem Vernichtungslager
Belzec gesammelt worden.
Wiesenthal
Center kritisiert Ermittlungsstrategie
Der Leiter
des Jerusalemer Büros des Simon Wiesenthal
Centers, Efraim Zuroff, kritisierte, dass zu
spät gegen den Beschuldigten Anklage erhoben
worden sei. Dass der mutmaßliche Kriegsverbrecher
«Jahrzehnte ungestraft in Deutschland leben
konnte», sei das Ergebnis einer «fehlerhaften
Ermittlungsstrategie» gewesen, die «praktisch
jeden Holocaust-Täter ignorierte, der kein
Offizier war», sagte Zuroff. Erst nach einem
Wechsel in der Ermittlungsstrategie sei es
zu der Anklage gekommen, hieß es. «Wir fordern
die deutschen Behörden dazu auf, ähnliche Fälle
wegen des hohen Alters der Beschuldigten schnell
zu bearbeiten, damit Gerechtigkeit hergestellt
werden kann», mahnte Zuroff. (dapd)
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