LUDWIGSBURG.
Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung
nationalsozialistischer Verbrechen hat angekündigt,
hunderte von Ermittlungsverfahren neu aufzurollen. Hintergrund
ist die Verurteilung von John Demjanjuk. Das Gericht hatte
den ehemaligen Wachmann wegen Beihilfe zur Tötung von
mindestens 28.060 Menschen zu fünf Jahren Haft verurteilt,
obwohl eine direkte Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden
konnte.
Der leitende Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm erhofft sich
von dem Präzedenzfall neue Impulse für seine Behörde.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press kündigte
er die Überprüfung von über tausend Akten
an, die in das Schema von Demjanjuk passen könnten.
Dabei schätzt er die Zahl der Verdächtigen auf
4.000 Personen.
„Es gibt da ein unglaubliches Potential“
„Sogar wenn nur zwei Prozent der Leute am Leben sind,
sprechen wir über achtzig Personen. Und lassen Sie uns
annehmen, bei der Hälfte von ihnen reicht der medizinische
Gesundheitszustand nicht mehr aus, sie vor Gericht zu bringen,
so bleiben uns noch vierzig Personen“, rechnete der
leitende Justizbeamte vor. „Es gibt da ein unglaubliches
Potential.“
Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Zentrum zeigte sich erfreut. „Es
könnte ein sehr interessantes letztes Kapitel werden“,
sagte der führende „Nazi-Jäger“ der
Nachrichtenagentur. Die Verurteilung von Demjanjuk habe die
Tür zu Anklagen eröffnet, die er zuvor nicht für
möglich gehalten hätte. Auch seine Einrichtung
werde angesichts der neuen Rechtslage ihre Akten überprüfen.
„Die Zeit ist unser Feind“
Der Vizepräsident der Amerikanischen Vereinigung der
Holocaust-Überlebenden, Elan Steinberg, lobte ebenfalls
die Ankündigung, mahnte aber gleichzeitig zur Eile: „Da
unsere Anzahl – die der Opfer – rasch schwindet,
zeigt sich hier die letzte Chance, daß wir noch in
unserem Leben Zeugen der Gerechtigkeit werden. Die Zeit ist
unser Feind.“
Auch Schramm kündigte eine rasche Ermittlung an. „Wir
können nicht zu lange warten, deshalb haben wir bereits
mit den Untersuchungen begonnen.“
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